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Gerhard Seyfrieds „Verdammte Deutsche!“

Gerhard Seyfrieds „Verdammte Deutsche!“

Sonntag, 13. Januar 2013

Die Bezeichnung „Spionageroman“ mag Gerhard Seyfried gar nicht. Zu sehr ließe das an turbulente James-Bond-Geschichten denken, dabei gehe es in seinem Roman doch eher beschaulich zu. „Verdammte Deutsche!“ heißt der und führt direkt hinein in die sich vor dem Ersten Weltkrieg aufbauenden deutsch-englischen Spannungen.

Bild: Las vor der Bibliotheksgesellschaft Hameln aus seinem Roman „Verdammte Deutsche!“ – Gerhard Seyfried

Vor dem Hintergrund des Rüstungswettlaufs beider Nationen rekonstruiert Seyfried detailgetreu und mit sensiblem Gespür für den Zeitgeist der Ära von Imperialismus und Militarismus die Anfänge der Geheimdienste beider Seiten. Geschickt verwebt der Autor dabei Fiktion und historische Realität, und die Zuhörer der Soiree der Bibliothekgesellschaft wurden Zeuge der spannenden Geschichte des deutschen Marineoffiziers Adrian Seiler, der im Sommer 1911 nach London geschickt wird, um an der deutschen Botschaft auszuhelfen. Seiler aber gerät er mitten hinein in eine öffentliche Hysterie und Angst vor deutschen „Schläfern“ und Spionen. Und als er sich in Vivian, die Tochter des deutschstämmigen Buchhändlers Petermann verliebt, nimmt der historische Roman dramatisch an Fahrt auf.

Seyfried gelingt ein facettenreiches Zeitgemälde deutsch-englischer Vorkriegsgeschichte. Hier wilhelminische Weltherrschaftsphantasien und diplomatische Tollpatschigkeiten des deutschen Kaisers, dort viktorianische Welt- und Seemachtsansprüche. An diese brisante Mischung legte seinerzeit der britische Schundautor William Le Quex mit überaus erfolgreichen Verschwörungsthrillern eine Lunte, die in England eine enorme Deutschenangst bewirkte, Aufrüstung rechtfertigte und  Kriegbereitschaft anheizte.

Seyfried, Jahrgang 1948, Karikaturist, Comiczeichner und Autor, hat die in diese Zeit fallenden Anfänge von Secret Service und MI 5 ebenso recherchiert wie die des eher betulichen Geheimdienstes der kaiserlich-deutschen Marine. Statt James Bond-Rasanz dominierten jedoch falsche Bärte und Verkleidungen. Dennoch macht Seyfrieds Roman deutlich, dass bei aller vermeintlichen Beschaulichkeit auch dieses unglaubliche Stück aus der Vorschichte des Ersten Weltkrieges entscheidend zur Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts beigetragen hat.

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