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Elke Heidenreich in der „Sumpfblume“

Elke Heidenreich in der „Sumpfblume“

Dienstag, 18. April 2017

„Schööön“, sagt eine spürbar tief berührte Frauenstimme in die Stille hinein. Elke Heidenreich hat gerade ihren „Blumen“ betitelten Kurztext beendet. Über den Rand ihrer Brille blickt sie freundlich aber ernst ins dicht auf dicht sitzende Publikum in der schon seit langem ausverkauften Sumpfblume. Von draußen fallen Strahlen der untergehenden Frühlingssonne in den Saal, mischen sich mit dem Scheinwerferlicht.

Die Heidenreich ist ein Medienstar durch und durch. Jede Faser atmet Professionalität. Doch es ist bei weitem nicht nur die Medienkompetenz der Literatin, die seit 1970 für Funk und Fernsehen arbeitet, die die Zuhörer fasziniert. „Ich bewundere ihr enormes Wissen im Bereich Literatur und Musik“, sagt Barbara Schnabel aus Egestorf neidvoll. „Die sagt, was Sache ist, redet Klartext“, fügt eine aus Hiddestorf angereiste Besucherin hinzu. Scharenweise sind vor allem weibliche Fans der Elke Heidenreich gekommen, zumeist mittleren Alters. Die bekommen von ihr zusammen mit ihrem Klavierbegleiter Marc-Aurel Floros literarisches Fingerfood der Extraklasse serviert.

„Es ist unsere erste Veranstaltung zusammen mit der Sumpfblume“, erklärt der Leiter der Hamelner Bibliotheksgesellschaft, Bernd Bruns. Der ist sichtlich stolz, so eine prominente Künstlerin nach Hameln geholt zu haben, und noch erfreuter über die immense Publikumsresonanz.

Kein Wunder, denn Heidenreich weiß das Gemüt nicht nur ihrer weiblichen Zuhörerinnen treffsicher anzurühren, mit kleinen, überschaubaren Texten, denen man zuhört wie man in einer Galerie von Bild zu Bild schlendert. Da lacht man eben noch über eine zielsicher gesetzte Pointe, um sich gleich drauf von einem mit äußerster Sensibilität und sprachlicher Gestaltungskraft verfassten Text tief berühren zu lassen. Heidenreich ist dabei nicht nur eine exzellente Schreiberin, sie kann – auch bei guten Autoren eher selten – hervorragend vorlesen. Sie beherrscht den kölschen Zungenschlag einer Vorgebirgs-Kindergärtnerin ebenso wie den eines sächsischen Hundebesitzers oder einer Ruhrpott-Omma. Da genügt ein Wort, ein Satz, um Situationen, Milieus, Charaktere lebendig werden zu lassen. Banale Alltagserlebnisse werden in sorgsam formulierte, äußerst knapp gesetzten Texten verdichtet, hinter denen sich Schicksale verbergen. Der Bus, der nicht an der Haltestelle hält, die ältere Frau, die sich in  den Fallstricken der englischen Aussprache verfängt, der zum Buddhismus Konvertierte, der jahrelang gehortetes Diebesgut zurückbringt.

Zu Tränen rührt vor allem die kurze Geschichte der älteren kinderlosen Frau, die während jener drei Stunden, in denen sie auf einen Säugling aufpasst, ihr lebenslang versäumtes Glück erfährt.

Reizvoll auch das Wechselspiel zwischen  kommentierender, manchmal ironisierender, stets origineller Klavierbegleitung und Heidenreichs alphabetisch geordneten Texten aus „Alles kein Zufall“. Mops Don Vito freilich muss in der Garderobe bleiben.

Heidenreichs Geheimnis? „Vor allem ehrlich“, sagt sie am Anfang so nebenbei. Genau das ist. Ehrlichkeit, tief empfundene Menschlichkeit, nicht die Fackel irgendeiner Wahrheit vor sich hertragend. Einfach, schlicht, ehrlich, mit Liebe zu sich und den Menschen. Und schreiben, so wie´s ist.  Das ist die hohe Kunst. Mehr braucht es nicht.

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