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Mehr Aufmerksamkeit für psychisch Kranke!

Mehr Aufmerksamkeit für psychisch Kranke!

Sonntag, 04. Juni 2017

Christiane Bruns zieht eine ernüchternde Bilanz. „Während die Demenz und physische Handicaps mittlerweile in aller Munde ist, kümmert sich kaum jemand um die seelisch Erkrankten. Die brauchen eine stärkere Lobby.“ Einer der Gründe sei, so die Leiterin der Fachpflegeeinrichtung Cornelienheim im Pflümerweg, die Tatsache, dass „ver-rückte“ Menschen, jene, die etwa an Psychosen litten, ihren Mitmenschen als „sehr fremd“ erscheinen würden. In vier Workshops und einem Fachvortrag widmeten sich Mitarbeiter verschiedener Betreuungseinrichtungen jetzt der allgemeinen Versorgungslage psychisch Erkrankter im Landkreis.

Bild: Hermann Elgeti informierte über den Landespsychiatrieplan

„Die Angebote für diese Patienten sind in Niedersachsen qualitativ gut, aber schlecht koordiniert und schwach vernetzt“, so das Ergebnis des ersten, im April 2016 veröffentlichten  Landespsychiatrieplans. Dessen mühsamen Entstehungsweg skizziert Dr. Hermann Elgeti. Der 61-Jährige ist seit 2007 Geschäftsführer des „Landesfachbeirates Psychiatrie“ und arbeitet zudem in der „Stabsstelle Sozialplanung“ der Region Hannover zum Thema „soziale Infrastruktur“.

„Partizipation und Selbsthilfe“, „Versorgung von Kindern und Jugendlichen“, „psychische Erkrankungen im Ater“, „Suchtkranke“ und „Maßregelvollzug“, so einige der Inhalte des Plans, die Elgeti kritisch beleuchtete. Über die Problematik psychischer Erkrankungen im Alter werde beispielsweise „viel geredet, aber wenig getan.“ „Und auch über Alters-Suizidalität steht nicht viel drin“, beklagte der Experte. „Dabei steigt die Zahl ältere Männer, die Selbstmord begehen.“ Generell sei „das Ministerium mit der Umsetzung des Plans noch nicht so richtig zu Potte gekommen“, lautete Elgetis Fazit.

„Hört ihr Sozialdezernet im Kreis eigentlich auf ihren Rat?“ so seine Frage an Christiane Bruns, die für den Sozialpsychiatrischen Verbund als beratendes Ausschussmitglied  im Kreissozialausschuss sitzt. Deren Reaktion fiel jedoch eher verlegen aus. Elgetis Forderungen an die Kreispolitiker sind daher unmissverständlich: „Bedarfsgerechte Lösungen müssen vor dem Hintergrund der einzelnen örtlichen Gegebenheiten entwickelt werden und die Versorgung zusammen mit den Leistungsträgern vor Ort koordiniert werden.“ Eine Vernetzung von Angeboten könne außerdem im Zusammenwirken aller drei Landkreise – Hameln-Pyrmont, Schaumburg und Holzminden – erfolgen. Die Ministerin habe die Landräte zu einem entsprechenden Gespräch über die Thematik für den 9.8. eingeladen. „Noch keine Reaktion aus Hameln-Pyrmont“, rügte Elgeti.

„Wir brauchen mehr Ressourcen, personell und finanziell“, so auch der Chefarzt der Ameos-Klinik, Dr. Alexander Pain. Zwar pflege man mit der Politik enge Gespräche, doch sei „der Ausbau der Netzwerke entscheidend“, so der 44-Jährige. Die verbesserte Ausschöpfung und gegenseitige Abstimmung aller Hilfsangebote, ob ambulant, stationär oder teilstationär, sei ebenso vonnöten wie „eine aktivere Rolle der Kommunen bei der Vernetzung, Planung und Evaluation des vor Ort vielfach zersplitterten psychiatrischen Hilfesystems und der Sozialpsychiatrischen Verbünde“, forderte Elgeti.

Die kritische Bestandsaufnahme wurde von den Tagungsteilnehmern in vier Workshops zu den Bereichen „Suchterkrankungen“, „psychisch Kranke“, „Kinder- und Jugendpsychiatrie“ sowie „Alterspsychiatrie“ vertieft.

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