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Johann Gottfried Seumes „Weserfahrt“ 1781

Johann Gottfried Seumes „Weserfahrt“ 1781

Montag, 20. Juni 2011

„Wenn man mehr ginge, ginge alles besser“ ist eine der Einsichten des deutschen Schriftstellers Johann Gottfried Seume (1763-1810). Dem vor allem durch seinen „Spaziergang nach Syrakus“ 1802/1803 bekannt gewordenen Spätaufklärer galt ein Vortrag des Vorsitzenden der Hamelner Bibliotheksgesellschaft, Bernd Bruns.

Bild: Johann Gottfried Seume, Kreidezeichnung von Gerhard von Kügelgen, 1806

Was Bruns über das nur 47 Jahre lange Leben des Zeitgenossen Goethes referierte, gab Einblicke in das Werk eines humanistisch hoch gebildeten, kompromisslosen, von Widersprüchen jedoch keineswegs freien Sonderlings, der unter dem Eindruck der Französischen Revolution sein Theologiestudium in Leipzig abbrach, auf dem Weg nach Paris von Webern des Landgrafen von Hessen-Kassel verschleppt und zum Dienst im amerikanischen  Unabhängigkeitskrieg an die englische Armee verkauft wurde.

Eindrucksvoll und detailreich skizzierte Bruns Seumes unfreiwillige „Weserfahrt“ von Hannoversch-Münden nach Bremen-Lehe und seine neunwöchige Überfahrt ins kanadische Halifax 1781/82, wo er jedoch nicht mehr zum Einsatz kam.

Seumes an Rousseaus „edlen Wilden“  orientierte Bewunderung der natürlichen Ungezwungenheit der indianischen Einwohner schlug sich in seinem oft zitierten Gedicht Der Wilde nieder. Für Seume einer, „der Europens übertünchte Höflichkeit nicht kannte…“ In Halifax schloss Seume über Standesgrenzen hinweg Freundschaft mit dem hessischen Offizier Karl Ludwig August Heino Freiherr von Münchhausen. Der hatte als junger Fähnrich den Schiffstransport auf der Weser begleitet und in einem 15-seitigen Bericht dokumentiert. Bruns hat das  bislang unveröffentlichte Dokument im Staatsarchiv Bückeburg entdeckt. Es gibt Einblick in die Unbarmherzigkeit der feudalistischer Lebensauffassung, der Menschenrechte fremd waren und Soldaten als bloße Handelsware galten.

Seume etwa wurde in Hameln von Bord und auf dem Landweg nach Stolzenau gebracht, um nicht den in  Minden herrschenden Preußen in die Hände zu fallen.

Zeitlebens jedoch blieb der Schriftsteller seinen Idealen treu; einer, der – ganz im Gegensatz zu Goethe – auch bei seinem 5000-Kilometer-„Spaziergang“ durch Italien stets um „Einblicke in das Leben der kleinen Leute“ bemüht war. Bruns: „Blieb der Bettler am Straßenrand für Goethe nur dekorative Staffage, sah Seume in ihm den Menschen.“

Auch Seumes  autobiografische Skizze seiner qualvollen „Weserfahrt“ von 1781 ist ein von Genauigkeit und Nüchternheit geprägter  Blick auf die sozialen, ökonomischen und politischen Verhältnisse seiner Zeit. Zu Unrecht heute fast vergessen, war Johann Gottfried Seume ein Humanist und Querdenker, Patriot und Literat, kurzum  „weit mehr als bloß unermüdlicher Wanderer“. Hameln jedoch hat er nie wieder besucht.

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