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Gelderbloms „Geschichte der Juden in den Dörfern des Fleckens Salzhemmendorf“

Gelderbloms „Geschichte der Juden in den Dörfern des Fleckens Salzhemmendorf“

Donnerstag, 28. November 2013

WebGelderblWo ist Hannelore Zeckendorf geblieben? Mit ruhiger, leiser Stimme berichtet Bernhard Gelderblom, wie er auf Bitten ehemaliger Mitschülerinnen des Mädchens aus Salzhemmendorf ihre Spur aufgenommen hat. Eine spannende Suche, die nach Köln führt, dann wieder zurück an den Ith, dann nach Göttingen. Doch die damals 16-jährige konnte nicht entkommen, kam ins Sammellager Hannover-Ahlem, wurde nach Osten  deportiert. „Vermutlich Warschau, dann Treblinka. Ein 16-jähriges Mädchen“, sagt Gelderblom fast lautlos und schweigt. Einen Moment ist es angesichts des Unfassbaren totenstill im „Haus an der Stadtmauer“ in Wallensen.

 

Bild: Bernhard Gelderblom (li.) und Michael Fürst

 

Es sollte eigentlich nur eine Broschüre werden“, erinnern sich der stellvertretende Bürgermeister Karl-Heimz Grießner und Clemens Pommerening von der Verwaltung des Fleckens Salzhemmendorf bei der Buchvorstellung. Herausgekommen ist eine akribisch recherchierte, im Holzmindener Mitzkat-Verlag erschienene, 250-seitige „Geschichte der Juden in den Dörfern des Fleckens Salzhemmendorf“.

„Gelderbloms Arbeit verdient unser aller Respekt und Anerkennung“, so der stellvertretende Landrat Karl Heinz Brandt. Während gemeinhin die uns umgebenden Katastrophen zwar unseren Verstand, selten aber unser Herz erreichten, schaffe „der große Demokratieerzieher“ Bernhard Gelderblom eben genau das. Was hätten wir getan? Ist Opfergeschichte nicht immer auch Tätergeschichte? Fragen, denen man sich bei der Lektüre von Gelderbloms Buch stellen müsse.

Das erzählt in Dokumenten und Zeitzeugenberichten die Geschichte des einst lebendigen und vielfältigen Landjudentums am Ith, spannt den Bogen vom 19. Jahrhundert bis zum Vernichtung.

Kaum zu glauben: im Zuge der Kreisreform sind fast alle Akten 1973 aus Gedankenlosigkeit verbrannt worden. Gelderblom: „Ein unglaublicher Akt des Vandalismus!“ Wie durch eine Fügung habe nur ein Dokument überlebt. Das gibt bezeichnenderweise Auskunft über die antisemitischen Untaten des ehemaligen Salzhemmendorfer Bürgermeisters Voges.

Ausgrenzung, Mobbing, offene Feindschaft. Gelderbloms lokalgeschichtliche Schilderungen gehen unter die Haut. Gerade Kinder hatten Unglaubliches zu erleiden. Erinnerungen, die noch heute schmerzen. „Auf dem Dorf tut so was viel mehr weh“, sagt Gelderblom. Da gäbe es bis heute noch Brüche. Deshalb wolle er sein Buch als „Gedenkbuch“ verstanden wissen, als Buch, das „heilen und versöhnen“ solle.

Für seine über 30-jährige Arbeit erntet der Hamelner Anerkennung von allen Seiten. Michael Fürst, der Vorsitzende des Landesverbandes der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen, erinnerte daran, dass nicht nur Juden verfolgt wurden, und dass Aufarbeitung ständiger Auftrag sei. „Denken Sie bloß an den Nazi-Kollaborateur Hinrich Wilhelm Kopf“, erinnert er.

„Es ist noch so viel zu tun“, sagt der heute 70-jährige Historiker nachdenklich, und verweist auf  Coppenbrügge oder Bad Münder. Auch dort warten Schicksale wie das von Hannelore Zeckendorf darauf,  dem Vergessen entrissen zu werden.

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