Premiere von Wehrhahns „Eck glöbe woll!“
Premiere von Wehrhahns „Eck glöbe woll!“
Sonntag, 09. September 2012
„Aber ich gehe nicht unter die Gürtellinie, ich sage doch nur, was ist“, stellt die Eimbeckhäuser Plattdeutsch-Kabarettistin Brigitte Wehrhahn in fast entschuldigendem Ton fest. Auch in ihrem neuen Programm „Eck glöbe woll!“ nimmt sie kein Blatt vor den Mund, ganz im Gegenteil. In ihrer gewohnt amüsanten Mischung aus bäuerlich derben Heini- und Fritzchen-Witzchen und beißender Kritik am alltäglichen Wahnsinn nimmt die Wehrhahn wieder einmal alles und jeden gnadenlos aufs Korn.
Bild: Gold für Brigitte Wehrhahn und ihr neues Programm „Eck glöbe woll!“
Selbst heilige Kühe wie die National-Kicker müssen dran glauben: Özils „Glubschaugen“, das EM-Desaster oder Benimm-Pannen bei der Preisverleihung sind ebenso Thema wie Ulli Hoeneß´ „Glühbirnenkopp“ oder der 40-Millionen-Transfer in der „Champignonsliga“.
Brigitte Wehrhahns Trommelfeuer auf Politik und Gesellschaft wird ab und an unterbrochen durch bewährte Kalauer nach dem Muster „Kennen Sie den Unterschied …?“ Und mitunter gerät die Eimbeckhäuserin gar ins Philosophieren, doch ihre Fragen bleiben unbeantwortet: „Darf man im Schaltjahr auch Automatik fahren? Warum sind Kreiskrankenhäuser nicht rund? Geht der Meeresspiegel kaputt, wenn man in See sticht?“
Stammtischparolen? Populismus? Von wegen. Es ist der „heilige Zorn“ des kleinen Mannes, den die energiegeladene Frau aus Eimbeckhausen da so unerbittlich auf den Punkt bringt. Und die „political correctness“? Gott sei Dank Fehlanzeige.
Eigentlich ist der Wehrhahn zum Weinen, verzweifelt sie an der zunehmenden Unüberschaubarkeit der Dinge, fühlt sich – wie wohl viele ihrer Zuhörer – ausgeliefert und ohnmächtig. Umso wichtiger ist es, Unbehagen und Wut herauszuschreien.
Unnachsichtig geht die Wehrhahn daher mit den Absurditäten der Zeit ins Gericht, prangert die NPD-Finanzierung durch Müller-Milch ebenso an wie Wiesenhofs „Tier-KZs“. Sogar zum Boykott von entsprechenden Milchprodukten ruft sie auf, denn „auch andere Molkereien haben schöne Kühe“.
Nein, sie gehe damit nicht zu weit, meinen nicht nur die begeisterten Zuhörer der ausverkauften Premiere im Deutschen Stuhlmuseum, auch bei der Bundestagsabgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller findet Wehrhahns Aufruf zum Verbraucherstreik offene Ohren.
Nach der Frage, ob das Fotografieren eines Zebras mit einem Farbfilm nicht Verschwendung sei, folgen dann die Abteilungen „Sex“, „Kirche“, „Steuern“, von frenetischen Lachsalven begleitet. Davon angespornt läuft die Wehrhahn zu ganz großer Form auf, gibt unter dem Jubel der Premierengäste dem Leserbriefschreiber K.S. aus E. in Sachen Umgehungsstraße ordentlich was hinter die Ohren, stellt fest, dass „Merkels Perlonsöckchen Falten“ haben, und dass die wahren Helden die Paralympik-Teilnehmer sind („Ob die wohl auch vom Traumschiff abgeholt werden?“).
Egal, Sport sei eh zwecklos, schließlich schwimme ein Wal den ganzen Tag und sei trotzdem fett, und wenn Laufen gesund wäre, müssten Briefträger unsterblich sein. Weltsicht à la Wehrhahn: witzig, verquer, knallhart, subjektiv, manchmal eben auch unter der Gürtellinie, provokant, aneckend – und eben nur durch die plattdeutsche Sprache vermittelbar. “Eck glöbe woll“, das hat gesessen und einmal mehr den Nerv des Publikums voll getroffen.