Zeilen Sprung – Das Redaktionsbüro

05042 - 504 008

info@zeilen-sprung.de

Wer zu spät kommt, den belohnt das Leben

Wer zu spät kommt, den belohnt das Leben

Freitag, 15. Februar 2013

Oh je, schon wieder zu spät! Die anderen Strandläufer sind alle schon in die Tundra abgeflogen. Nur der kleine Piet hat den Abflug verpasst, weil er sich wieder mal „vertüddelt“ hat. „Jetzt bist Du ganz allein“, kreischen die Möwen gehässig, aber Piet gibt nicht auf, kämpft um den verlorenen Anschluss und stürzt sich mutig ins größte Abenteuer seines jungen Lebens.

Bild: Erzählt die Geschichte vom kleinen Strandläufer Piet, der den Abbflug seiner Familie „vertüddelt“ hat – Annegret Geist auf der Studiobühne im Theater Hameln

Annegret Geist ist Marike, die Leuchtturmswärtertochter, die Piets Geschichte erzählt. Ein vergilbter Zeitungsartikel weckt ihre Erinnerungen an jenes ungewöhnliche Strandläuferpaar, das seinerzeit statt in der 8000 Kilometer entfernten Taiga am Ostseestrand brütete.

Piets „Vertüddelung“ ist die von Friederike Krahl inszenierte Bühnenfassung von Miriam Kochs im Hildesheimer Gerstenberg Verlag erschienenen Kinderbuch „Keentied oder die Reise ins Glück.“

Die kleinen Zuschauer im ausverkauften Theater auf der Bühne reagieren ganz unmittelbar auf die Frau, die da der aus Fensterkitt, einem Halm und zwei Federn geformten kleinen Figur durch ihr Spiel Leben einhaucht, die eine große runde Platte ins weite Meer und die Welt verwandelt, die aus einer alten Baustellenleuchte einen Leuchtturm und aus einer Lampe den Mond zaubert.

Die Kinder sind spürbar ergriffen, wenn Piets Angst, ein überdimensional und bedrohlich groß an die Wand projizierter kleiner Plastikfetzen, mit dem kleinen Strandläufer ihren Schabernack treibt. Als sich Piet zudem noch im Fischernetz verfängt, scheint seine Lage aussichtslos.

Dann aber wendet sich alles zum Guten und am Ende brütet Piet mit seiner Partnerin am Ostseestrand.

„Piet, das ist einer, der keine Angst hat, der seinem Instinkt folgt und dafür belohnt wird“, sagt Annegret Geist. Ihre behutsame und zugleich intensive Darstellung lässt den Kindern Zeit, setzt das Material überaus kreativ ein, gleich ob als einsames Schiff auf einer schwankenden Platte, als grün und rot blinkende Lichtchen, die in der Fantasie zu einer ganzen Fischfangflotte werden oder beim staksigen Fingertanz der Strandläufer. Und die Darstellung der Windstärken eins bis elf bereitet nicht nur den kleinen Zuschauern allergrößtes Vergnügen.

„Abstraktionen sind für heutige Kinder nicht mehr selbstverständlich“, weiß Dramaturgin Katja Dittmann. Meist würden perfekte Illusionen konsumiert, dass aber ein Lichtfleck zum Mond oder ein kleines Brett zum Steg werde, sei nicht mehr unmittelbar verständlich. „Kreativität und Fantasie müssen hier oft erst angestoßen werden.“

Annegret Geist gelingt das aufs Trefflichste. Sie lässt die Kleinen im Publikum erahnen, dass es sich lohnt, Herausforderungen anzunehmen und eigenen Impulsen und der eigenen Neugier  zu vertrauen. Denn dann belohnt das Leben mitunter auch jene, die wieder mal zu spät gekommen sind.

Weitere Einträge