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Bernhard Gelderblom liest aus Briefen einer jüdischen Familie

Bernhard Gelderblom liest aus Briefen einer jüdischen Familie

Montag, 04. März 2013

Am 17. Juli 1942 teilte Albert seinem Sohn Arthur in seinem letzten „Rote-Kreuz“-Brief seine bevorstehende Deportation mit den Worten mit:„Müssen nächste Woche verreisen auch Tante Emilie macht Euch keine Sorgen.“Albert Jonas wurde im Alter von 70 Jahren am 23. Juli 1942 zusammen mit seiner Ehefrau und seiner Schwester in das Altersghetto Theresienstadt deportiert. Dort starben er und seine Schwester Emilie bereits am 13. August 1942.

Vor gut fünf Jahren wurden beim Renovieren einer Londoner Wohnung die Briefe der Familie Jonas gefunden, so Bernhard Gelderblom bei seiner Lesung in den Sanddornstuben in Flegessen. Briefe aus den Jahren 1939 bis 1943. Erschütternde und tief bewegenden Zeitdokumente, in denen sich das unfassbare Grauen in der Schilderung von Alltäglichkeiten zwischen den Zeilen verbirgt und dennoch unübersehbar ist.

Die Eheleute Albert und Berta Jonas stammten aus Tündern und waren in Hameln als Viehhändler tätig. Seit 1933 litt ihr Geschäft unter den Boykotten der Nationalsozialisten. Dennoch hielten zahlreiche Bauern Albert die Treue, auch indem sie ihm Futter für seine Tiere brachten.

„Die Familie hatte drei Kinder von denen zwei deportiert wurden“, berichtet Gelderblom. Insgesamt sind 17 Mitglieder der Familie Jonas seien deportiert worden. Alberts Sohn Arthur gelang noch vor Kriegsausbruch die Flucht nach England. Auch die Eltern betrieben die Auswanderung, doch vereitelte der Kriegsausbruch entsprechende Pläne. Gelderblom: „Plötzlich saßen sie in der Falle.“

Nach Kriegsbeginn war der Kontakt zur Arthur in London, das jetzt „feindliches Ausland“ war, nur noch über die sogenannten „Rote-Kreuz“-Briefe möglich. Von ihnen hat sich eine ganze Anzahl erhalten. Über die diskriminierenden Lebensbedingungen und die Katastrophen, die über die Familie in Deutschland hereinbrachen, geben sie allerdings nur sehr indirekt Auskunft.

„Man durfte ja nicht offen über die Lage schreiben“, erläutert Gelderblom. „Zudem waren die Verfasser bemüht, die Empfänger nicht in Sorgen zu versetzen.“ Es sind eben diese Alltäglichkeiten, in denen sich das Grauen jener Jahre verbirgt. Zeilen und Fotos, die unter die Haut gehen, wie Elses Brief an ihren Vetter Herbert, der Ende 1942 in Holland im Versteck lebte:

„ Ja, lieber Herbert, was hat sich inzwischen alles für uns ereignet, was wir für schier unmöglich hielten und leider doch so bittere Wahrheit ist. Alfred und ich sind nun bis jetzt als einzige von der großen Verwandtschaft zurückgeblieben. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, was ich für Monate hinter mir habe und wie sehr ich heute noch darunter leide, von allen meinen Lieben getrennt zu sein und noch nicht einmal ein Lebenszeichen zu erhalten. Aber was hilft alles Klagen. Man muss eben Mut behalten und die Hoffnung auf ein Wiedersehen nicht aufgeben.“

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