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Malmsheimer

Malmsheimer

Donnerstag, 15. April 2010

malmsweb„Flieg Fisch, lies und gesunde.“ Der merkwürdige Titel des Programms entpuppt sich am Ende als Geheimcode und Erkennungszeichen sich nächtlich unterhaltender Bücher. Deren Aufstand, inszenierte Jochen Malmsheimer fantasievoll und wortgewaltig im ausverkauften Emmerthaler Kulturzentrum. Das freilich finden infolge fehlender Hinweise nur Einheimische und Eingeweihte. Auch Malmsheimer irrte durch Emmerthal: „Die Kontakte zur Urbevölkerung waren nicht erhellend. Tipp: kleinen Zettel anbringen, handschriftlich genügt.“

Malmsheimer, Mitglied der ZDF-Reihe „Neues aus der Anstalt“, kennt sich als gelernter Buchhändler aus mit „Zugekauften und Alteinsortierten“, legte ein enormes Sprachtempo vor und brachte die Emmerthaler in ihrem als Sporthalle getarntem Kulturzentrum schnell auf Trab.

Nicht nur im hintergründigen Streit der Bücher, erwies sich Malmsheimer als exzellenter Sprachjonglierer, der fortwährend neue Adjektive hervorzauberte. Da stürzt ein Thomas Mann Wälzer ein zartes Döblin-Bändchen aus „nachbarbändiger Umarmung“ hinterrücks aus dem Regal. Das knickt sich seinen Schutzumschlag und die bibliophile Wortschlacht nimmt ihren Lauf.

Ob beim „Dress-Code“ für Senioren, der unvermeidlichen Omi-und-Opi-Farbe Beige, beim in ein morbides Worttrommelfeuer gekleideten Zoo-Besuch oder bei herzzerreißender Philosophiererei über die Wurstbrot-Idylle vergangener Tagen, stets balanciert Malmsheimer mit komplexen Satzstrukturen und abenteuerlichen Wortkonstrukten am Rande irrwitziger Skurrilität, gleichwohl nur Millimeter von der Alltagswirklichkeit entfernt. Überaus lustvoll findet er Wortschöpfungen wie „Kinder-Castoren“ und weiß sehr wohl 80er-Jahre Buggys von „Sportkarren mit Faltdach“ und zeitgemäßeren Beförderungsmitteln für „all die Lukasse und Lenas“ der Gegenwart zu bezeichnen.

„Wurstbrot ist eine Kulturkonstante“ brüllt er ins höchst amüsierte Publikum, und gibt die Antwort auf die Frage, was der gute Mann da oben auf der Bühne wohl hat, gleich selbst: „Der Mann hat Recht.“

Glänzend auch sein Rückgriff auf eine Zeit, in der Radios noch Möbel waren und in Fernsehrunden „hörbar geraucht“ wurde.

Malmsheimer macht Kabarett, nicht Cabaret („Das ist das mit den Strapsen“), und das temporeich, mit turbulentem Timbre und keine Millisekunde langweilig. Ehrlich. Darauf ein Wurstbrot mit dick guter Butter und mindestens drei Scheiben Zervelat.

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