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Hereld-Lesung

Hereld-Lesung

Freitag, 19. November 2010

webhereldSchaurig-schön heult der Wind um die Ecken der Fachwerkhäuser und der nächtliche Regen klatscht erbarmungslos aufs Pflaster der Münderaner Gassen. Nur oben aus dem Saal des Museums auf dem Wettbergschen Adelshof dringt gelb-rötlich flackernder Kerzenschein durch die Butzenscheiben. Dort liest Peter Hereld aus seinem Roman „Das Geheimnis des Goldmachers“.

Bild: Peter Hereld liest im Museum auf dem Wettbergschen Adelshof

Zwar hat der Redakteur und Filmemacher, Jahrgang 1963, seine Heimatstadt Hildesheim als Schauplatz gewählt, aber auch das Münderaner Museumsambiente ist ein überaus inspirierender Ort für Herelds Zeitreise ins Hochmittelalter.

Sommer 1234. Zwei ganz unterschiedliche Männer sind auf dem Weg von Bremen nach Köln. Der eine, Osman aus Alexandrien, ist auf der Flucht vor seinem Herrn, der andere ist Robert, genannt der Schmale. In Hildesheim treffen beide den großen Gelehrten Albertus Magnus. Der hat einen päpstlichen Auftrag: Goldmachen. Als er entführt wird, fällt der Verdacht sofort auf die beiden Reisenden. Eine lebensgefährliche Jagd beginnt…

„Ich habe zwei Dinge in meinem Roman verwoben“, erklärt Hereld. „Die für 1233 bis 1235 belegte Anwesenheit von Albertus Magnus in Hildesheim, zum anderen die Geschichte des Kinderkreuzzuges von 1212.“

Die Qualität der Recherche sei entscheidend für die Qualität eines historischen Romans, so der Autor. Vieles sei nicht mehr völlig nachweisbar. Die von den Mittelalter-Historikern, den Mediävisten, mit „idealen Rekonstruktionen“ gefüllten weißen Flecken ergänzt Hereld durch fiktive Handlungsstränge, die er effektvoll und atmosphärisch dicht ins Mittelalter-Ambiente einpasst.

„Trotzdem eine schreckliche Zeit, die ich allenfalls mal eine Woche als Besucher erleben möchte“, gesteht er. Das menschliche Verhalten im nach Goethe vermeintlich „dunklen Zeitalter“ ähnele dem der Menschen der Gegenwart. „Man braucht nur die Technik wegzunehmen und die Menschen in dramatische Situationen zu stellen“, beschreibt Hereld sein Romanrezept.

Obwohl sein Text weitgehend ohne Liebe, Lust und Leidenschaft auskommt, sitzen im Publikum ausnahmslos Frauen. „Das ist immer so, ich weiß auch nicht warum“, rätselt Buchhändlerin Dudo Wanderer, die Initiatorin der Lesung.

Hereld akzentuiert in seiner Lesung die dramatischen Elemente, etwa im flammenden Aufruf des Nikolaus von Köln zum Kinderkreuzzug. Aber auch aktuelle Bezüge machen nachdenklich. Die Geschichte von Osman und Robert, Moslem und Christ, lässt deutlich werden, dass ohne die mittelalterlichen Einflüsse der islamischen Welt neuzeitliche Wissenschaft und Moderne undenkbar gewesen wären.

Obwohl „Das Geheimnis des Goldmachers“ an diesem Abend nicht verraten wurde, so glaubte man trotzdem beim Verlassen des kerzenerleuchteten Museumsgebäudes in der Ferne Hufgetrappel auf dem nassen Münderaner Pflaster zu vernehmen. Osman und Robert auf der Flucht? Egal, auf jeden Fall schaurig-schön.

Peter Hereld: „Das Geheimnis des Goldmachers“ Gmeiner Verlag Meßkirch

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