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Ohnsorgs “Misery”

Ohnsorgs “Misery”

Sonntag, 03. April 2011

Ob als Buch, Film oder Bühnenstück, Stephen Kings Stoffe sind Publikumsmagneten. Und so lockte dann auch Simon Moores Bühnenadaption von Kings 1987 entstandenem Roman „Misery“ ein deutlich jüngeres Publikum ins große Haus des Theaters als gemeinhin üblich.

Das Besondere: Moores King-Bearbeitung war in einer Inszenierung des Hamburger Ohnsorg-Theaters mit Herma Koehn als Anni Wilke und Oskar Ketelhut als Erfolgsautor Paul Schellhorn zu sehen. Der heißt im Original Paul Sheldon und wacht nach einem Unfall in einsamer Gegend im Haus von Anni Wilke auf. Die ehemalige Krankenschwester hat den schwer Verletzten und ans Bett Gefesselten gepflegt, ist Schellhorns „Fan Nr. 1“, und verfolgt das Schicksal von dessen Trivialromanheldin Misery mit krankhaftem Interesse. Als sie herausfindet, dass Paul Misery in seinen letzten Roman sterben lässt, zwingt sie ihn zu einer Neufassung und es beginnt ein Psycho-Duell, das für den Autor zum blanken Horror und zu einem Überlebenskampf wird, aus dem es für ihn scheinbar kein Entkommen mehr gibt.

Klaus Engeroff hat Moores 2009 uraufgeführtes Stück inszeniert, und lässt in Katrin Remmers bedrückendem Bühnenbild eines heruntergekommenen Teils des einsamen Gehöfts die Außenwelt nur durch Geräusche und Lichteffekte in die Welt von Annis Gefangenem eindringen.

Der sucht seine Schmerzen und das Verlangen nach den ihm von Anni eingeflößten, süchtig machenden „Eia Popeia“-Pillen und seine schiere Verzweiflung mit jeder Menge Galgenhumor für sich – und die Zuschauer – erträglich zu machen. Erst im zweiten Teil des brachialen Gewaltspiels gewinnt er mental wieder die Oberhand, rechtzeitig genug, bevor sich die Dinge dramatisch zuspitzen.

Herma Koehn, seit mehr als 40 Jahre beliebter Ohnsorg-Star, schlüpft in „Misery“ in eine ganz neue Rolle, pendelt fortwährend hin und her zwischen dahinbrabbelnder Alten und bitterböser, kühl kalkulierender Horrorhexe, die ihre bedrohlichen, tödlichen Absichten statt in einem ausgefeilten Psychogramm im gleichförmigen Singsang einer volkstheaterhaften Sprache versteckt. Vielleicht aber ist gerade dieses ansatzlose Hinübergleiten vom wortreichen Anhimmeln ihres Stars Paul Schellhorn zu dessen scheinbar unvermeidlicher Zerstörung das, was den Horror dieses Abends erst richtig lebendig werden ließ.

Das Publikum jedenfalls dankte beiden Akteuren mit anhaltendem Applaus.

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