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Glosse: Der Faucher

Glosse: Der Faucher

Samstag, 30. April 2011

Der Faucher

Glosse

Von Christoph Huppert

Reisen bildet bekanntlich. Wer etwa mit der Deutschen Bahn auf Tour geht, der  kann seine Englischkenntnisse auf  internationales Niveau schrauben. Schon auf dem Bahnsteig. Dort werben nämlich bundesweit seit einiger Zeit grellrote Plakate für „W-Lan auf dem Bahnsteig“. Wahrscheinlich um sich die Wartezeiten auf verspätete Züge angenehmer zu vertreiben, kann der erwartungsfrohe Bahnreisende jetzt direkt vom Bahnsteig ins weltweite Netz auf und davon surfen. Toll.

Aber halt. Natürlich, so ist es auf dem Plakat zu lesen, bedarf es dazu eines kostenpflichtigen „Vouchers“. Was immer das ist, es ist irgendwo unten in den Katakomben des Bahnhofs am „Service-Point“ erhältlich. Irritiert suche ich erst einmal Hilfe beim Bahnsteigpersonal. (Das bestimmt nicht mehr so bezeichnet wird, aber der zeitgemäße Terminus fällt mich gerade nicht ein). Die in ihrem schicken Dienst-Outfit absolut ICE-taugliche Dame, bei der einem das Wort „Schaffnerin“ nicht einmal entfernt in den Sinn kommt, lächelt freundlich. „Oh ja, das“, meint sie und strahlt mich an, „das kriegen Sie am Service-Point.“ Sagt´s und entschwindet mit atemberaubendem Hüftschwung.

Nach reichlich Sucherei taucht endlich der gelb leuchtende Hinweis „Service-Point“ vor mir auf. Eine nicht minder gut aussehende Dame erkundigt sich dort nach meinen Wünschen. „Was kann ich für Sie tun? Ah ja, Sie brauchen unseren Faucher“, haucht sie weltoffen und voller Sprachgewandtheit. „Angelika, wo ham wa denn die Faucha?“ Die Angesprochene zuckt nur kurz zusammen und nickt wortlos in Richtung eines Regals. Ich bekomme ein Zettelchen im Scheckkartenformat ausgehändigt, zahle einen Obolus und entschwinde wieder Richtung Bahnsteig. Gerade als ich lossurfen will, kommt mein Zug. Diesmal pünktlich. Ehe mich die Spannung völlig übermannt, schlage ich nach Einnahme meines Sitzplatzes per Laptop sofort nach. Online selbstverständlich. „Voucher“, lese ich da, englisch, sprich „wautscha“, na also, Eintrittskarte, Gutschein, aha, auch Essensmarke, Berechtigungsausweis (zum Beispiel für einen „hot-spot“). Wobei mit letzterem sicher nicht die Dame am „Counter“ des „Service-Points“ im „Basement“ unserer „Central Station“ gemeint ist. Na bitte, sag ich doch, Reisen bildet.

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