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Frieda und Anneliese

Frieda und Anneliese

Samstag, 12. November 2011

Wie einsam Kritiker doch mitunter sein können. Etwa dann, wenn sie ins mit vielen hundert Schenkelklopfern proppenvolle große Haus des Theaters Hameln geraten und gnadenlos einen nicht enden wollenden Abend lang den Geschmacklosigkeiten von „Das letzte Hemd“ von „Frieda und Anneliese“ ausgesetzt sind.

Bild: Dietmar Wischmeyer (l.) und Sabine Bulthaupt in „Das letzte Hemd“

 

Vorweg ein großes Kompliment. Dietmar Wischmeyer und Sabine Bulthaupt sind Quotenprofis, die mit ihrem Präkariats-Entertainment punktgenau den Publikumsgeschmack treffen.

Das Haus jubelt und gröhlt schon beim schieren Anblick der beiden. Deren magere Story um die Machenschaften eines internationalen Altersheimkonzerns dümpelt – von zwei Videofilmen nur unwesentlich beschleunigt – vor sich hin. Jeder Satz im Stück, jede Filmeinstellung verströmte bemühte Witzigkeit, dazu Bulthaupts jaulender und Wischmeyers bekannt näselnder Singsang, das alles ließ auf Dauer auch den Amüsierwilligsten erschlaffen.

Was da im Seniorenstift „Moderfrieden“ vor sich geht, das sind grenzwertige Geschmacklosigkeiten zulasten alter Menschen, aufgepeppt durch Wischmeyers zweifellos schlagfertigen und eloquenten  Wortwitz. Der aber bleibt allzu oft  in der analen Phase stecken. Wahrlich kein Abend für Finanzbeamte, Lehrer, gar Intellektuelle oder sensible Gemüter. Wenn letztere bei Helge Schneider noch befreit auflachen können, dann befällt sie bei diesem Duo ein Würgreiz. Was Gaststar Hans-Werner Olm in den kindlich-pubertären Filmsequenzen mit einschloss.

Mit einem Bissigkeit und Geschmacklosigkeit zu Kunst machenden schwarzen britischen Humor haben Anneliese und Friedas Comedy-Bemühungen rein gar nichts zu tun. Ebenso wenig mit Polit-Kabarett. Beide erheben einzig pure Geschmacklosigkeit zum Stil-Prinzip.

Wenngleich als „Hochgeschwindigkeits-Bauerntheater“ angekündigt, erschöpfte sich das Duo in einer zunehmend erlahmenden Handlung und einer zumindest einen Hauch Poetik verströmenden Sprache („Im Herbst werfen die Ordner die Blätter ab“). Die aber blieb letztlich gegen den publikumswirksamen Fäkal-Talk absolut im Hintertreffen.

Wenn dann Roberto Blancos „Puppenspieler von Mexiko“ zum „Popowischer vom Dixie-Klo“ mutierte und am Sarg der „Ententanz“ zelebriert wurde, wünschte man sich nur noch, dass alles in einer an diesem Abend oft und gerne beschworenen „Ü-70-Schaumparty“ verschwinden möge.

Am Ende eine an Massenhysterie grenzende Publikumsbegeisterung und die unbeantwortete Frage,  welcher Teil des fiktiven Ortsnamens „Plattengülle“ auf dieses Theater wohl zutraf.

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