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Flohmarkt an der Weserpromenade

Flohmarkt an der Weserpromenade

Sonntag, 05. August 2012

„Das sind Ü-Eier Autos“ brummt Rainer Tegtmeier und lässt gleich mindestens ein Dutzend der kleinen Plastikvehikel durch seine Finger gleiten. Der Raumausstatter aus Auetal ist Experte. Ü-Eier-Auto-Experte. Seinem Kennerblick entgeht nichts. „Ich habe schon über 800 davon“ sagt er, doch am Stand von Angelika Wöller findet er heute nichts Passendes. Ja, wenn die einen „Stelzenschlumpf“ hätte, das wäre so was wie die blaue Mauritius. Doch die gibt´s bekanntlich weder im Ü-Ei noch auf dem Flohmarkt an der Weserpromenade.

In der Regel einmal im Monat herrscht hier schon Vormittags geschäftiges Treiben, werden Plastikkörbe, Möbel, Spiegel und alles, was sich von Hand tragen lässt, von den restlos überfüllten Parkplätzen zum Verkauf runter ans Weserufer geschleppt. „Seit etwa 1992, fast das ganze Jahr, nur im Dezember nicht“, erläutert Sumpfblume-Geschäftsführer Andrä  Scholz. Je nach Wetterlage kann Scholz über 100 Teilnehmern Plätze zuweisen. Standgebühr pro Tapeziertisch fünf Euro, Kinder dürfen kostenlos auf der Wiese ihre Spielsachen anbieten. So wie die siebenjährige Sisrun aus Langenfeld. Das kleine blonde Mädchen hat ihr Kinderzimmer auf- und ausgeräumt, und sitzt jetzt schüchtern hinter einer großen Decke mit all ihren Sachen. „Alles für ein Euro“ steht auf einem Blatt, das davor liegt. „Also nicht alles, sondern immer nur ein Teil“, stellt Sisrun klar. Ein Barbiebuch hat sie schon verkauft. Ob´s schwerfällt sich davon zu trennen? Die Kleine nickt wortlos.

„Muss alles raus, weg damit“, meint dagegen Angelika Wöller. Ihre Trödlerinnen-Weisheit: „Was man ein Jahr nicht benutzt hat, kann weg.“ Die 50-jährige ist Verkäuferin, aber „das hier ist ganz anders. Da muss man die Kunden ranlocken und überzeugen. Genau das Gegenteil von meinem sonstigen Job.“

Werner Fuchs aus Bodenwerder sucht mit Bedacht, begutachtet sorgfältig, fast penibel, das von Birgit Wilhelm angebotene Uralt-Album mit den Vinylplatten im Singleformat.  Eigentlich sammelt der 74-Jährige Röhrenradios. „Hatte mal über 2000 Schellackplatten“, erzählt er nachdenklich, „aber im Alter …“ Immerhin fast 500 LP, 200 Singles habe er noch, und dazu kommen jetzt einige neue von Flohmarkt-Profi Birgit Wilhelm. Die hat sich auf Platten und Bücher spezialisiert, ist seit 20 Jahren dabei, und legt Wert auf gute Beratung. Man spürt förmlich, wie sie das Vertrauen des kritischen Musiktruhen-Fans gewinnt.

„Natürlich werden die angebotenen Dinge abgecheckt. Waffen und Kommerzware bleiben draußen“, stellen Andrä  Scholz und sein Helfer Till von der Sumpfblume fest. „Mag sein, dass vielleicht der eine oder andere damit sein Hartz IV aufbessert, aber dennoch ist das alles meilenweit entfernt von Kommerzialisierung.“

Es ist schwül am frühen Sonntagnachmittag. Der Schweiß rinnt und die Schlange am Bratwurststand wird immer länger. Auf der „Pluto“ und in den Gaststätten an der Promenade findet sich nur noch schwer ein freies Plätzchen. Ganze Familien wie die van Cattenbergs aus Bad Münder freuen sich über ihre Neuanschaffungen im Niedrigpreissegment.

Gefeilscht wird selten. „Machen die Deutschen nicht gerne. Die zahlen gleich den geforderten Preis oder gehen weg“, erklärt ein ausländischer Anbieter. „Für die Kinder geb´ ich das gerne aus“, erklärt eine Oma und zückt ihre Geldbörse. Das „Leichtbügeleisen CD 811, originalverpackt, mit Antihaft-Alu-Sohle“ lässt sie links liegen. Ganz im Gegensatz zu einem Ehepaar aus Nienstädt bei Stadthagen, das zwei Gartenzwerge in Grünmetallic erwirbt. „Damit aufs Foto? Niemals“, protestiert der Ehemann, und während er sich schnell entfernt, gesteht seine bessere Hälfte: „Die kommen in die Küche, auf die Fensterbank. Also, ich find´ die schön.“

Seine Plastikrüstung samt Helm, Visier und Schwert, die wird der neunjährige Alexander heute wohl nicht mehr ablegen. Und die Frage, was er eigentlich damit will, ist so blöd wie die Antwort einfach. „Na spielen, was sonst?“

Eine Bildergalerie finden Sie unter:

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