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„Wattenmord“ bei Wanderer

„Wattenmord“ bei Wanderer

Sonntag, 26. August 2012

„Wattenmörder“ prangt in blutroten Lettern auf dem pechschwarzen T-Shirt von Andreas Schmidt. Der verspeist grinsend eines der hellroten Heringshäppchen, und macht es sich zur Lesung im grün-weiß gestreiften Strandkorb bequem. Immer mehr  Besucher drängen zur ersten Freiluft-Lesung in den von der Familie  Pauksch zur Verfügung gestellten Innenhof, von Buchhändlerin Dudo Wanderer liebevoll umsorgt mit Sitzkissen, wärmenden Wolldecken gegen die abendliche Kühle und so manchem Gläschen Wein.

Das Duo Maritim, die ehemalige russische Musikdozentin und Akkordeonistin Radmira Grüne und Coupletsänger Klaus Kohrs, sorgen für die nötige musikalische Brise, im Mittelpunkt aber steht der Text vom „Wattenmörder“ Andreas Schmidt.

Der Wuppertaler, Jahrgang 1969, ist ein charmanter Erzähler, der im leichten Plauderton schon Biografisches mit unmerklichen Spannungsbögen versieht und das vorwiegend weibliche Publikum schnell in seinen Bann zieht.

Mit leicht heiserer Stimme berichtet er von seinen Anfängen als Groschenroman-Autor und findet zustimmendes Nicken nicht nur bei Rosita Hoppe aus Hamelspringe, die sich gleichfalls in diesem Genre betätigt.

Nach einem musikalischen Intermezzo heißt es dann aber „Immer Tote bei die Fische“, und Schmidt liest das, was in jedem Kriminalroman ein erster Höhepunkt ist, die Auffindung der Leiche. Die schwimmt im „Wattenmord“ im riesigen Aquarium des Multimar-Wattforums in Tönning. Präzise Recherche im Urlaub vor Ort hat Schmidt zu einer ebenso präzisen Schilderung technischer und örtlicher Einzelheiten geführt. Die Szene gerinnt zu einer eindrucksvollen, atmosphärisch überaus dichten Schilderung, die an die diesbezüglichen  Qualitäten einer Patricia Highsmith denken lässt: einfühlsam, ohne aufgesetzte, effektheischende Mätzchen.

Das gilt auch für Schmidts Charaktere. Eine Vater-Tochter-Beziehung, ein aus dem Leben gegriffener Ermittler namens Norbert Ulbricht, ein Mann mit vielfältigen Brechungen, Ecken und Kanten, kein zur Identifikation einladender Supertyp. Alles bei Schmidt ist echt, authentisch und glaubhaft, so dass der Übergang zum Unheimlichen und Bizarren nahezu unmerklich ist.

Nicht nur die abendliche Dämmerung bewirkt deshalb bei den sich im Innenhof drängenden Zuhörern ein wohliges Gruseln.

Ein maritimer Küstenkrimi, ergänzt durch eine humorvolle musikalische Meeresbrise, das war so recht ein gelungener Urlaubsausklang und ganz sicher der Einstieg in einen vielversprechenden „blutigen Krimi-Herbst“. Den wird Dudo Wanderer am 27. September mit einer Lesung der Trägerin des Deutschen-Krimi-Preises 2012, Mechtild Borrmann („Der Geiger“), im Foyer des Martin-Schmidt-Konzertsaales fortsetzen.

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