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Dem Vergessen entrissen – Hamelner Frauenschicksale

Dem Vergessen entrissen – Hamelner Frauenschicksale

Montag, 17. September 2012

„Diese Hamelnerinnen waren ihrer Zeit weit voraus, ihre Lebensformen waren aus heutiger Sicht durchaus modern“, stellte die Hamelner Bürgermeisterin Sylke Keil anlässlich der Buchvorstellung fest. Mit ihrem 115 Seiten starken, im Gilbert Giebel Verlag im Hamelner Hefehof erschienen Band skizziert die gelernte Soziologin Helga Altkrüger-Roller zehn Lebenswege berühmter, dennoch im öffentlichen Bewusstsein fast vergessener Hamelnerinnen.

 

Bild: Marie Lodemann (1884-1967), die „Mutter der Flüchtlinge“

 

Dass deren Geschichte bisher weitgehend im Verborgenen lag, bestätigt auch der Historiker Bernhard  Gelderblom. Es habe zwar in den 90ern einmal eine kleine Ausstellung zum Thema seitens des Kreis- und Stadtarchivs gegeben, doch sei das Fehler einer Geschichte ausgewiesener Hamelner Frauen „typisch für den Mangel in vielen Bereichen der lokalen Geschichtswahrnehmung“.

Hier füllt Altkrüger-Rollers Buch eine Lücke. Der Leser erfährt, dass es offensichtlich den spiritistischen Neigungen der Elsa Buchwitz („Trümmer-Else“) zu verdanken war, dass die gelernte Modistin und erfolgreiche Hotelbesitzerin ihren Kampf gegen die Flächensanierung aufnahm und so die Hamelner Altstadt rettete. Dass Irmgard Flügge-Lotz (1903 – 1974) die erste Regelungstechnikerin in Deutschland und später in den USA die erste Professorin für Ingenieurswesen an der Stanford University war, dürfte auch weithin unbekannt sein.

Von der „Glückel von Hameln“ (1645/46 – 1724), einer der bedeutendsten Jüdinnen ihrer Zeit über die Heimatschriftstellerin Elsbeth Best (1853 – 1938), die Frauenrechtlerin Frida Levy (1881 – 1942), Theodor Lessings Ehefrau Ada (1883 – 1953) und der „Mutter der Flüchtlinge“, Marie Lodemann (1184 – 1967) spannt die Autorin den Bogen „couragierter Frauen“ bis hin zu Käte Arend (1926 – 1997), der Mitbegründerin des Verein „Frauen und Kinder in Not“.

„Von diesen Frauen können wir lernen, dass es sich lohnt dran zu bleiben, zielstrebig seinen Weg zu gehen“, so Sylke Keil.

In mühevoller Kleinarbeit hat Altkrüger-Roller Fotos und Dokumente aufgetrieben, ist im Stadt- und Kreisarchiv ebenso fündig geworden wie im Niedersächsischen Hauptstaatsarchiv. „Manchmal half auch der Zufall, etwa als der Ur-Enkel von Rosa Helfers in einem Schuhkarton Briefe zum 70. Geburtstag fand“, berichtet die Autorin. Helfers, Sozialdemokratin der ersten Stunde, leitete von 1929 bis 1933 das Frauengefängnis in Berlin-Mohabit und war Deutschlands erste Gefängnisdirektorin.

Ohne das Verlegerpaar Birgit Höller und Gilbert Giebel jedoch hätte es das Buch nicht gegeben. Birgit Höller hat das historische Fotomaterial bearbeitet. Sie erklärt: „So ein Buch kann nur in einem kleinen Verlag gemacht werden, denn die Auflage ist auf 500 beschränkt. Für Großverlage ist das uninteressant.“ Mit Bernhard Gelderblom hoffen Autorin und Verleger nun, dass die Schicksale der zehn Hamelner „Powerfrauen“ wieder verstärkt wahrgenommen und nicht bloß, so Gelderblom, „auf Straßenschildern entsorgt werden.“

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