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Tässchen Tee zum Jüngsten Gericht?

Tässchen Tee zum Jüngsten Gericht?

Dienstag, 06. November 2012

„Scheint ja lustig zu werden“, hatte sich wohl so mancher der leider nur 25 Zuschauer beim „Blauen Montag“ im TAB gedacht, als Heike Eulitz auf die Bühne wirbelte, in einem gewaltigen Redefluss eine imaginäre Nachbarin durch ihr neues Domizil führend. Was für ein komischer Effekt sich doch ergibt, wenn man die Namen der Einrichtungsgegenstände gegen Währungsbezeichnungen austauscht. Heiterkeit also bei Sätzen wie „Die amerikanischen Dollar fand ich sowieso immer ein bisschen billig“ oder „Du, englische Pfund habe ich kiloweise weggeschmissen“.

Doch spätestens beim zweiten Monolog aus der Feder von Ingrid Lausund war klar, dass das hier keine schnell getaktete, effektheischende „Comedy“ war, sondern sich im Gegenteil eine tragikomische, skurrile, mit surrealistischen Elementen  durchsetzte Lebenskrise einer jungen Frau auftat. Die ist zwar eigentlich mit der „ästhetischen Gelassenheit der Funktionalität“ ihrer neuen Plattenbauwohnung ebenso zufrieden wie mit Karl („kein Mega-Super-Typ, aber nett“), wird aber ihre zu Besuch eingefallene Über-Mutter nicht los. Die Non-Stop-Nörglerin konstatiert: „Verliererwohnung“.

In der wachsen imaginäre Posaunen aus den Wänden, aus denen alptraumhaft Figuren der Vergangenheit auf die Tochter einreden. Das „Jüngste Gericht“, ein monströses präraffaelitisches Gemälde, ein Geschenk ihrer Mutter, erwacht zum Leben, gebiert Che Guevara, Johannes den Täufer und den Erzengel Gabriel. Die stellen unisono fest: „Dir fehlt der Biss“, „es hat einfach nicht gereicht“.

Kernsätze voll beklemmender Intensität („Hilfe, ich vergeude mein Leben“) bewegen sich in einem von Ingrid Lausund exzellent austarierten Text auf dem schmalen Grad zwischen Humor und Verzweiflung.  Heike Eulitz spielt das alles mit einer fast an schizophrene Persönlichkeitsspaltung grenzender Ausdruckskraft, setzt alles schauspielerisch dermaßen beeindruckend in Szene, dass die Zuschauer am liebsten zugleich geweint und gelacht hätten.

Bissig, witzig, entlarvend auch der dritte Monolog, der sich um eine türkische Teekanne und das verwirrte Verhältnis einer verunsicherten deutschen Hausfrau zu ihrer türkischen Putzfrau dreht. Auch hier werden Klischees entlarvt, Lebenslügen aufgedeckt.

Heike Eulitz reichen ein Stuhl, ein Umzugskarton und ein Teeservice, um das alles zu einem wahrhaft großen Theaterabend zusammenfließen zu lassen.  „Noch ´n Tässchen Tee?“ Ja bitte, unbedingt. Wiederholung dringend erwünscht.

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