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Luisa Islam-Ali-Zade „Klassik und Revolution“

Luisa Islam-Ali-Zade „Klassik und Revolution“

Freitag, 23. November 2012

Zweifel hatte es im Vorfeld reichlich gegeben: Revolution und Klassik, passt das? Opernarien in der „Sumpfe“? Kann der revolutionäre Funke in der Rattenfängerstadt überhaupt zünden? Er kann. Und wie. Das musste auch ein eigens aus Berlin angereister renommierter Opernkritiker eingestehen. „Ganz reizender Ort für so was“, kommentierte der das Sumpfblumen-Ambiente, in dem die sonst gelben Blüten diesmal blutrot aufflammten und eine riesige Projektion von Eugène Delacroix´ Gemälde der barbusigen Freiheit, die das Volk führt, das sehr zahlreich herbeigeströmte Publikum entsprechend einstimmte.

Was folgte, war schlichtweg sensationell. Drei knappe Einführungssätze des schülerhaft-schüchtern wirkenden, doch seiner Rolle absolut gerecht werdenden Joris Henke, dann der Auftritt der Mezzosopranistin Luisa Islam-Ali-Zade. Umwerfend, hinreißend. Grellrote Stulpenstiefel, mattschwarz  glänzende Hose aus Leder, weiße Rüschenbluse im Jakobinerstil, blutrote Lederjacke. Wie hocherotisch doch Freiheit und Revolution sein können!

Und erst diese Stimme. Klar, enorm kräftig, ausdrucksstark, absolut koloratursicher, mal kämpferisch, mal verführerisch, variabel in allen Ton- und Gefühlslagen, nicht nur bei der den Abend eröffnenden Verdi-Arie der Preziosilla „Viva La Guerra“.

Schuberts Uhland-Vertonung „Frühlingsglaube“ von 1820, rührte ebenso zu Tränen wie Schumanns zwanzig Jahre später erfolgte Bearbeitung von Heinrich Heines „Die beiden Grenadiere“.

Luisa Islam-Ali-Zade gelingt an diesem Abend das schier Unglaubliche. Fernab jeglicher abgestandener Kunstlied-Inszenierung, ohne auch nur einen Anflug von Sentimentalität, Historisierung oder gar Ideologiebefrachtung reduziert sie die Perlen französischer, italienischer, polnischer, russischer und deutscher Revolutionslieder des ausgehenden 18. und 19. Jahrhunderts auf ganz und gar Existentielles. Mit grandioser Mimik und Gestik, vor allem aber ihrer unglaublichen Stimme arbeitet sie den humanistischen Grundgehalt, das zutiefst Menschliche der Hoffnung auf ein  „Nun muss sich alles, alles wenden!“ heraus.

Spannend die Frage, wie sie die unvermeidliche „Internationale“ gestalten würde. Die verblüffend einfache Antwort: als Dreiklang des französischen Originals, der deutsche und der russischen Fassung.

Nach der Pause dann, im lilafarbenen, geschlitzten Empire-Kleid eine reizvolle Akzentverschiebung von der politischen zur Revolution im Geschlechterkampf: Beethovens „Lied des Klärchen“, Mozarts „Cosi fan tutte“, natürlich Bizets „Carmen“ und Verdis „Rataplan“. Begeisterung, stehende Ovationen, Bravo-Rufe, Blumen zuhauf. Kein Zweifel, Luisa Islam-Ali-Zade hat weit mehr als nur ein revolutionäres Flämmchen entfacht.

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