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Märchenerzählerin zu Gast

Märchenerzählerin zu Gast

Dienstag, 11. Dezember 2012

Für den Schluss hat sich Märchenerzählerin Susanne Theis etwas Dramatisches und Lustiges zugleich aufgehoben. „Der Sack mit der Pest“ heißt die Geschichte, die die 49-jährige Dozentin für Sprecherziehung an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover den Fünftklässlern der Heinrich-Göbel-Realschule an diesem Vormittag vorträgt. Ohne Buch, frei erzählt. Die meisten hören gespannt zu, nur ein dünner Blonder in knallgrünen Hosen kann seine Motorik nicht unter Kontrolle bringen und muss ganz nach hinten.

Bild: Entführt ihr Publikum in eine Märchenwelt – Märchenerzählerin Susanne Theis

Insgesamt sei das Zuhörvermögen der Schülerinnen und Schüler dennoch überraschend gut, bescheinigt Theis ihrem Springer Publikum. Sie weiß: auch Zuhören muss man erst einmal lernen und üben. „Zuhören heißt, die eigenen Impulse unter Kotrolle bringen. Wer gut zuhören kann, dem wird auch viel erzählt.“

Schwieriger, so berichtet die Märchenerzählerin, seien die Folgen der fehlenden Visualisierung. „Man muss als Zuhörer im Kopf erst die eigenen Bilder zum Gehörten anlegen, und die kollidieren oft mit Fremdbildern.“ Die seien dann mitunter so  übermächtig, dass etwa beim abgeschnittenen Daumen  in den Grimmschen „Sieben Raben“ viele junge Zuhörer sich darüber kaum wieder beruhigen könnten. Konnte früher eine solche Passage schnell verarbeitet werden, wirkten endlose Darstellungen von Gewalt und Blut heute lange nach. „Passt deshalb auf, was ihr in Eure Köpfe lasst“, mahnt Susanne Theis daher ihre jungen Zuhörer.

Durch fremdbestimmte Bilder seien auch Fantasie und Träume beeinflusst. Selbst bei Erwachsenen. „Wir träumen nicht mehr die eigenen Träume“, so die Sprech- und Stimmlehrerin, deren Repertoire weit über 100 Märchen umfasst.

„Eines trage ich immer in der Grimmschen Originalsprache vor“, erklärt sie. „Damit die Schüler ein Gefühl dafür bekommen.“ Geeignete Märchen gebe es etwa ab dem Alter von vier Jahren, für Schulkinder bis hin zu Erwachsenen.

Die vier fünften Klassen der Heinrich-Göbel-Realschule haben, so Lehrer Andreas Schwarze, im Unterrichtsplan gerade das Thema „Märchen“ behandelt, und erleben mit Susanne Theis nun eine Vertreterin der kaum noch anzutreffende Kunstform des Märchenerzählens. Doch es gelingt der Wennigserin schnell, den Märchenzauber auch auf die sonst eher an technisch moderne Wahrnehmungsformen gewöhnten Kinder überspringen zu lassen. Wie einfach das ist: eine brennende Kerze, ein kleines Saiteninstrument, ein Moment der Ruhe, und schon geht die Reise ab ins Märchenland.

 

 

 

 

 

 

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