Landesparteitag der Linken
Landesparteitag der Linken
Sonntag, 10. Februar 2013
Hanna-Lilly Zimmermann zeigte sich vom Parteitagstrubel der Linken im Hamelner Weserberglandzentrum absolut unbeeindruckt. Die vier Wochen alte Tochter der Delegierten Anne Zimmermann vom Kreisverband der Linken aus Wolfsburg schlief den Schlaf der Gerechten, während ihre Mutter sich zusammen mit den 176 zum Parteitag angereisten Delegierten auf die Suche nach einer neuen Rolle für ihre Partei machten.
Bild: Mit roter Stimmkarte zu neuem Selbstverständnis – 176 Delegierte tagten im Weserberglandzentrum
„Minus vier Prozent und raus, das hat gesessen, das muss erst mal verarbeitet werden“, stöhnte einer der 98 männlichen Delegierten, und so war beim Landesparteitag die Analyse der eklatanten Wahlniederlage eines der zentralen Themen.
Diskutiert wurde der Landtagsrauswurf überall: bei den Rauchern in der Kälte vor dem Tagungszentrum, im mit jeder Menge Plakaten und Spruchbändern dekorierten und von Ständen mit Info-Material nur so überquellenden Foyer und vor allem im lautstarken Gedränge des Tagungssaals selbst.
Kurz nach Mittag hatte Landesvorstandsmitglied Maren Kaminski den Parteitag eröffnet. Nach Regularien und Anmahnung eines fairen Umgangs miteinander wurden Grußworte wie das von Bernd Schlinkmann, dem Sprecher des Anti-Atom-Plenums Weserbergland oder der Kreisvorsitzenden Hameln-Pyrmont, der Bundestagsabgeordneten Jutta Krellmann, artig beklatscht, ehe dann der Landesvorsitzende Manfred Sohns seinen in gewohnt kämpferische Töne gekleideten politischen Rechenschaftsbericht abgab.
„Wir sind trotz allem nicht von der Platte zu kriegen“ rief Sohns in den Saal und erntete großen Beifall mit seiner Kapitalismus-Schelte. „Der sei „nicht das Ende der Geschichte“. Während sich alle anderen Parteien an den Kapitalismus bänden, strebe die Linke „eine transformatorische Politik in eine andere Gesellschaft“ an. „Bring´s auf den Punkt, weg mit dem System!“, knurrte ein Delegierter aus Friesland.
Man müsse eine Abschwächung der politischen Kraft konstatieren, stellte Sohns derweil fest, müsse „raus aus den Zitterpartien“ und eine „parlamentsfähige, anti-kapitalistische sozialistische Organisation“ hinkriegen.
Trotz Mitgliederrückgang um zehn Prozent und Fehlern im Wahlkampfmanagement gelte es dabei die landespolitische Kompetenz nicht versanden zu lassen. Eine schlagfähige „außerparlamentarische Fraktion“ müsse her.
„Werden wir jetzt Apo?“ rief jemand aus dem Saal. Wie schwer sich die Linke damit tun wird, zeigte dann die rund zweieinhalbstündige Generaldebatte.
Bild: Wurde im Amt bestätigt – Manfred Sohns führt auch weiterhin Die Linke
Obwohl er die Verantwortung für die Wahlkampfniederlage übernehme, wolle er sich „nicht vom Hof machen“, reagierte Jörn Jan Leidecker auf den Zwischenruf „Konsequenzen!“ „Nein, nicht zurückstecken, nicht kleinteiliger werden!“ mahnte auch der Schatzmeister der europäischen Linkspartei, Dieter Dehm, und die hannoversche Bundestagsabgeordnete Heidrun Dittrich ritt scharfe, reich beklatschte Attacken gegen die Medien. „Die Presse ist pro-kapitalistisch und nicht auf unserer Seite“. Eine Feststellung, die zumindest Jutta Krellmann dann doch zu differenzieren wusste.
Man brauche, so Pia Zimmermann aus Hannover, zwar eine „Politik, die in eine andere Gesellschaft führe, doch solle auf klassenkämpferische Rhetorik verzichtet werden. „Die kommt nicht an“, so die Delegierte.
Applaus vor allem für Beiträge, die sich vehement von SPD und Grünen abgrenzten. „Keine Bündnisse, sondern Konfrontation mit den Mächtigen, die anderen Parteien füllen nur den Rahmen aus, befürworten Kapitalismus und Krieg. Daher keine Anbiederung bei den Kriegsparteien!“ erregte sich der Delegierte Joachim Augustin in Nadelstreifen und Palästinensertuch.
„Das Berliner Liebknechthaus lässt uns heute hier hängen“, lamentierte ein anderer, wieder andere ritten Attacken gegen die Gewerkschaften oder bemühten sich um einen konstruktiven Einstieg in die geforderte Selbstveränderung. „Es geht hier erst einmal darum Luft abzulassen, Konzepte und Strategien können auf großen Parteitagen ohnehin kaum entwickelt werden“, stellte Jutta Krellmann fest. Das müsse in kleineren Zirkeln erfolgen. Sicher habe die Partei ein Vermittlungsproblem.
Dass es nach der Wahlschlappe bei der Linken ordentlich gärt, war unübersehbar. Einzig die kleine Hanna-Lilly rührte das wie auch die Wiederwahl von Manfred Sohns überhaupt nicht. Sie hatte die Aufregungen der Generaldebatte schlicht und einfach verschlafen.