Rechte Gewalt fußt auf breitem Sockel
Rechte Gewalt fußt auf breitem Sockel
Sonntag, 17. Februar 2013
„Als die braunen Horden 1933 aus Springe kommend, mit Gewehren die Straße Richtung Victor-Adler-Heim hochstürmten, musste sich die sozialistische Arbeiterjugend zurückziehen.“ Der Leiter der Heimvolkshochschule, Gerd Schumacher, erinnerte daran, dass die Tagungsstätte dann BDM- und HJ-Heim wurde. 80 Jahre „Ermächtigungsgesetz“ und 90 Jahre politische Bildung am Deisterhang waren Anlass für ein zweitägiges Seminar zum Thema „Rechtsradikalismus und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland und Europa“.
Bild: Erinnerte an den Beginn des Hitler-Faschismus vor 80 Jahren – HVHS-Schulleiter Gerd Schumacher
Unter der Leitung von Horst Lahmann vom Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport diskutierten die Teilnehmer zum Eingang die Thesen der Sozialpsychologin Prof. Beate Küpper von der Hochschule Niederrhein aus Mönchengladbach. Die Wissenschaftlerin informierte über die Grundlagen rechter Einstellungen. Rechtsextreme Gruppe wie die der NSU seien dabei nur die Spitze des Eisbergs. Rechtes Denken und rechte Gewalt fuße auf rechtspopulistischem Denken in Medien, Gesellschaft und Politik, finde beispielweise in zahlreichen „pro“-Bewegungen seinen Niederschlag und basiere auf einem Sockel weitverbreiteter „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“. Küpper: „Rechte Einstellungen haben die Basis in der Normalität.“
Anhand von aktuellen Forschungsergebnissen präsentierte die Forscherin ebenso erstaunende wie bedrückende Zusammenhänge: Je weniger Ausländer es etwa in einer Region gäbe, desto höher sei die Ausländerfeindlichkeit. Die sinke je mehr Kontakte es zu Ausländern gäbe. Vorurteilsbefrachtete Kategorisierungen bedienten sich dabei bekannter Typisierungen durch überlieferte Bilder, Mythen und Klischees, die zu in sich oft widersprüchlichen Aussagen und Einstellungen führten. Resultat: 47 Prozent der Deutschen seien der Meinung, es gäbe zu viele Ausländer, 18 Prozent wollten der Frau eine stärkere Rolle als Mutter zuweisen, 13 Prozent meinten, Juden hätten zu viel Einfluss. Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Homophobie sowie Vorurteile gegen Asoziale und Arbeitslose sind laut Küpper unterschwellig weit verbreitet.
Dass sich Rechtsextremismus in den vergangenen Jahren in seiner Erscheinungsform stark gewandelt habe, machte Prof. Richard Stöss von der FU Berlin deutlich, und Wolfgang Freter vom Niedersächsischen Innenministerium informierte in einer Abendveranstaltung über „aktuelle Erscheinungsformen des Rechtsextremismus in Niedersachsen.“
Für die erkrankte Autorin Claudia Hempel las der Völksener Verleger Dietrich zu Klampen aus deren Buch „Wenn Kinder rechtsextrem werden“, einer bedrängenden Studie, die auf Interviews mit betroffenen Müttern beruht.
Am zweiten Tag informierten Kari Kinnunen aus Helsinki über „finnische Rechtspopulisten auf dem Vormarsch“ und Christa Bauer vom Mauthausen Komitee über „parlamentarischen Rechtspopulismus in Österreich“. Ergänzt wurde die Konkretisierung der Thematik durch einen Sachstandsbericht einer Vertreterin des Otto-Hahn Gymnasiums zum Projekt „Schule ohne Rassismus“. Der Vorsitzende des Aktionsbündnisses „gelbe Hand“, Giovanni Pollice von der IG BCE Hannover, stellte abschließend die Aktivitäten des Vereins „Mach´ meinen Kumpel nicht an“ vor.