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Ultras – eine Prise Hass will jeder

Ultras – eine Prise Hass will jeder

Mittwoch, 20. März 2013

Er ist Politikwissenschaftler, Hertha-Fan und hat im ZDF-Sportstudio schon einmal auf die Torwand getroffen. Ohne Ergebnis. Ein Volltreffer aber ist sein mittlerweile als Standardwerk zur deutschen Fußball-Fankultur geltendes, 2010 erschienenes Buch „Die Ultras“. Jonas Gabler, Jahrgang 1981, arbeitet derzeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der „Kompetenzgruppe Fankulturen und Sportbezogene Soziale Arbeit“ am Institut für Sportwissenschaft der Leibniz Universität Hannover.

Bild: Fan-Experte Jonas Gabler (li.) referierte im Wilhelm-Gefeller-Kulturverein. Schulleiterin Sabine Süpke und ihr Stellvertreter Thomas Diekmann waren beeindruckt.

„Sicher gibt es unter den ´Ultras´ auch ab und an böse Buben“, so Gabler bei seinem Vortrag im Wilhelm-Gefeller-Kulturverein. Eine Reduzierung auf Randale aber werden den damit verbundenen komplexen sozialen Phänomen nicht gerecht.

Von den „Gassen- und Winkeljungen“, den „Hooligans der Kaiserzeit“, die mit Böllern Kutschpferde erschreckten, schlug Gabler den Bogen über Jugendkulturen wie Halbstarke und Gammler bis hin zu Hooligans und Ultras.

„Deren Haupttreibfeder sind das Brechen von Konventionen, gemeinsame Erlebnisse und soziale Anerkennung in der Gruppe. Die Fankurve wird dabei zum Erlebnis- und Freiraum.“

Dort gelte Gruppendynamik pur. „Kein Schalker Schal verirrt sich in die Dortmunder Fankurve“, so Gabler. Zustimmendes Nicken der rund 30 Zuhörer auch, als der Experte den Normenkatalog der „hardcore-Fans“ auflistet: Loyalität zum Verein, männliche Dominanz über Jahrzehnte, Kampfmetaphorik, regionales, landsmannschaftlich geprägtes Konfliktpotenzial. „Bei Spielen mit Derby-Charakter etwa Schwaben gegen Badener, Franken gegen Bayern, Köln gegen Düsseldorf, da ist klar, eine Prise Hass will jeder.“

Rassismus und Anti-Semitismus habe die Ultra-Szene in einer Art Selbstreinigung in den vergangenen Jahren zurückdrängen können. Gabler: „Sexismus, Homophobie und Anti-Ziganismus sind aber immer noch ernst zu nehmen.“

Was tun? Die Abschaffung der Stehplätze wie in England sieht Gabler eher mit Skepsis. Das sei eine versteckte, vor allem Jugendliche betreffende  Preiserhöhung, ein Schlag gegen die Buntheit der Fankultur. „Im Sitzen singt man nun mal nicht. Die eigentlichen Konflikte finden sowieso außerhalb des Stadion statt.“

Auch das Papier der Deutschen Fußball Liga sei zwiespältig, werde als „Frontangriff gegen die Fankultur“ betrachtet. „Das suggeriert, dass die Stadien nicht sicher sind. Die deutschen Stadien sind so sicher wie sonst nirgendwo auf der Welt“, stellte Gabler mit Nachdruck fest.

Und die gegen die Vereine gerichtete DFB-Strafpolitik habe den schalen Beigeschmack von Kollektivstrafe. “Damit macht sich der DFB zum Feind der Fans.“

Die sich anschließende, sehr lange und intensive Diskussion zeigte, dass das Dilemma zwischen Fankultur einerseits und einem sich zunehmend als Ware einer  Unterhaltungsindustrie definierenden Sports auch künftig ungelöst bleiben wird. Für die „Ultras“ forderte Gabler daher einen „Mittelweg“, der zum einen der gesellschaftlichen Bedeutung des Fußballs gerecht werde, zum anderen aber auch zur Existenzsicherung kleinerer  Vereine beitrage. „Die leben nämlich von der Stimmung, die die Fans machen, und zu denen gehören eben auch die Ultras.“

 

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