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50 Jahre Postbote – Jürgen Kaudewitz geht in Pension

50 Jahre Postbote – Jürgen Kaudewitz geht in Pension

Mittwoch, 27. März 2013

Mancher der Texte ist mir schon sehr nahegegangen“, gesteht Jürgen Kaudewitz, und weist gerührt auf einen ganzen Stapel von Abschiedsbriefen und –karten, die ihm seine „Kunden“ aus Klein Berkel geschrieben haben. Jürgen Kaudewitz ist 65 Jahre und anderthalb Monate alt, und hat 50 Jahre lang als Postzusteller gearbeitet. „43 Jahre davon allein in Klein Berkel“, erklärt er. Jetzt geht Kaudewitz in den wohlverdienten Ruhestand. Freilich nicht ohne sich vorher von seiner Kundschaft zu verabschieden. Ebenfalls per Abschiedskarte versteht sich.

Bild: Freut sich über ganze Stapel von Glückwunschkarten – Postzusteller Jürgen Kaudewitz

Jürgen Kaudewitz ist der derzeit älteste Postbedienstete in der Niederlassung Hannover der Deutschen Post, und einer der 120 Postzusteller im Bezirk Hameln.

„Wir haben in Hameln 69 ganz unterschiedlich geschnittene Zustellbezirke“, erklärt Betriebsleiter Jens Meyer. Der 44-Jährige ist zuständig für insgesamt 13 Standorte in den Landkreisen Hameln-Pyrmont und Schaumburg-Lippe und trägt die Verantwortung für 420 Mitarbeiter.

Deren Dienst beginnt frühmorgens um 7 Uhr in der Ruthenstraße und umfasst eine 38,5-Stunden-Woche.

Tonnenweise hat auch Jürgen Kaudwitz alle denkbaren Arten von Brief- und Paketpost zugestellt. „Früher gab´s ja noch extra Geldzusteller“ erinnert er sich. „Da kam die Rente noch mit der Post und wir haben außerdem Rundfunk- und Zeitungsgeld kassiert.“

Zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem gelben Postauto hat Kaudewitz seinen Klein Berkelern ihre Post gebracht. „Die Fahrradtouren waren mir am liebsten, denn da kann man direkt bis vors Haus fahren“, erklärt der rüstige Pensionär, der noch genau weiß, wie er seinerzeit zur Post kam. „Früher gab´s in Klein Berkel noch Schuhfabriken und da haben wir als Kinder für´n Groschen abends geholfen, die Pakete einzuladen. Hinterher gab´s Bonbons im Laden gegenüber. So bin ich wortwörtlich auf den Geschmack gekommen.“ Am 1. April 1963 begann er seinen Dienst als Postjungzusteller.

Seinem Zustellbezirk ist er – mit kleinen Ausflügen in den Bahnhofspostdienst Hannover – treu geblieben.

„Am liebsten habe ich immer gute Nachrichten überbracht, also voll bezahlte Briefe über die sich die Leute gefreut haben. Aber natürlich gab es die nicht immer.“ Bei Traueranzeigen habe er mitunter auch mitgelitten. „Am unerfreulichsten aber sind die Knöllchen, die man direkt aushändigen muss“, sagt Kaudewitz. Die Zeiten, in denen dem Zusteller bei Jubiläen, Geburten oder zum Jahreswechsel auch schon mal ein Schnäpschen angeboten wurde, sind längst vorbei.

Bild: Zum letzten Mal steigt Jürgen Kaudewitz in sein gelbes Postauto

Zum Abschied geht Jürgen Kaudewitz noch einmal in seine alte Sortierecke, wo er jeden Morgen vor der Tour seine Post zustellfertig gemacht hat. Dort liegt ein großes, von einem Mädchen namens Mariella zum Abschied gemaltes Bild. „Darüber habe ich mich sehr gefreut, denn sie hat sogar den grünen Daumen nicht vergessen.“ Gemeint ist damit das grüne Daumengummi, mit dem sich Briefe besser sortieren lassen.

Nur die Hälfte der Postbediensteten seien heute noch verbeamtet, erklärt Betriebsleiter Meyer. „Der klassische Postbeamte ist ein Auslaufmodell.“ Auch andere Dinge haben sich in den vergangenen Jahrzehnten verändert. Brieftransport per Bahn gibt es längst nicht mehr, stattdessen 82 modernde Brief- und Logistikzentren wie das in Pattensen. „Selbst wenn Sie dem Nachbarn ´ne Karte schreiben, geht alles über Pattensen, aber eben maschinell“, so Kaudewitz.

Er hat den unmittelbaren Kontakt mit seinen Klein Berkelern aber nie missen wollen. Mit Erna und Mathilde beispielsweise. „Da habe ich immer gepfiffen, mal ´Klein Erna aus Hamburg´ oder mal ´Mathilda´, dann wussten die, wer die Post bekam.“

Von Liebesbriefen über gewaltige, immer mehr werdende Berge von Werbung bis hin zu besonders schweren Hundefutterpaketen, Jürgen Kaudewitz hat alles zugestellt. Pünktlich, zuverlässig und notfalls in strömendem Regen oder bei Eis und Schnee. Jetzt freut er sich auf „alles das, was in Haus, Hof und Garten in den letzte Jahren so liegengeblieben ist.“ Und über die Geburt seines zweiten Enkelkindes, das in diesen Tagen zur Welt kommen wird. Vielleicht findet Jürgen Kaudewitz, der Postbote aus Leidenschaft,  dann ja selbst noch einmal ein paar Glückwunschkarten in seinem Briefkasten.

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