Der Flötenmagier und die Engelsharfe
Der Flötenmagier und die Engelsharfe
Sonntag, 21. April 2013
„Ahhh, das ist doch die Musik für die dieser Saal gebaut ist“, begeisterte sich eine Zuhörerin in der Pause des dritten diesjährigen Meisterkonzerts im Martin-Schmidt-Konzertsaal. Mit dem von Vitaly Protasov geleiteten, 1963 gegründeten „Kiev Philharmonic Chamber Orchestra“ gastierte zum wiederholten Male ein in Bad Münder ebenso beliebtes wie international renommiertes Ensemble im Kammermusiksaal.
Bild: Entspannte Stimmung in der Garderobe vor dem Konzert. Von li.: Marc Grauwels, Sophie Hallynck und Vitaly Protasov
Schon der Auftakt, das Adagio aus Bruckners Streichquintett F-Dur in der Fassung für Streichorchester, war eine perfekte Klangsymbiose zwischen Kammermusiksaal und Klangkörper. Dazu agierte am Pult mit Vitaly Protasov ein in Gestik und Mimik Dirigent von großer Suggestivkraft, der mit einem Stirnrunzeln, einer Bewegung des kleinen Fingers die hochkonzentrierten Musiker vom Forte ins Pianissimo zu lenken wusste.
Gleichfalls nahezu magische Verführungskräfte entfaltete dann auch der belgische Flötist Marc Grauwels, dessen virtuosem Spiel und mitreißender Gestik sich wohl keiner der Zuhörer zu entziehen konnte. Eine kurze Körperdrehung und der graumelierte Lockenkopf hatte in zwei, drei Sekunden direkten Blickkontakt mit allen Musikern aufgenommen, deren Gesichter gleichfalls höchstes Entzücken verrieten. Dann wieder spielte Grauwels mit einem Lächeln den Konzertmeister oder die Harfenistin an, versprühte seine schier unerhörte Bühnenpräsenz. Zusammen mit seiner Partnerin, der Harfenistin Sophie Hallynck, zaubert er mit dem vor Lebensfreude und Leichtigkeit nur so sprühenden Mozart-Konzert für Flöte, Harfe und Orchester eine pastorale Idylle von fast faunischem Zuschnitt in den Saal. „Das war die Gebrauchsmusik der damaligen Zeit“, erklärte Grauwels in mit flämischem Zungenschlag gefärbtem Englisch, „die darfst Du nicht stur und steif spielen.“
Wie dieser Flötenmagier sich, sein Instrument und die Mozarts Musik inszenierte, das war allererste Klasse.
Dritter Höhepunkt dieses Konzertabends dann Beethovens Symphonie Nr. 4 B-Dur op. 60, mit emphatischen tutti-Explosionen und zartesten piano-Passagen, die noch einmal die phänomenalen Qualität des Klangraumes deutlich werden ließen. „So etwas findest man nur in großen Städten, ganz erstaunlich“, lobte auch Grauwels, dieser Rattenfänger in schwarzen Anzug, sichtlich angetan.