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Die „Mindener Stichlinge“ sticheln im Hamelner Lalu

Die „Mindener Stichlinge“ sticheln im Hamelner Lalu

Sonntag, 05. Mai 2013

„Keine Sorge, die sind im nächsten Jahr wieder dabei“, versicherte Traumfabrik-Chef Jobst-Walter Dietz. Eine richtige Entscheidung, denn was das Amateurkabarett der „Mindener Stichlinge“ im mit nur knapp 40 Gästen enttäuschend schwach besetzten Lalu präsentierte, war durch und durch professionelles Polit-Kabarett.

„Sie haben die Wahl“ heißt das neue Programm des von Birger Hausmann geleiteten ältesten deutschen Amateurkabaretts. „Seit 47 Jahren sind wir auf der Bühne präsent, aber in Hameln sind wir heute zu ersten Mal“, so der agile Ensemble-Leiter.

Das Herzblut spritzte nur so und die Welle der Spielfreude schwappte quer durchs Lalu, als die „Stichlinge“ ein Programm präsentierten, das an gute alte Kabarettzeiten der Vor-Comedy-Ära erinnerte. Aktuell, bissig, wortgewaltig, intelligent und mit glänzendem, tiefgründigem Wortwitz durchsetzt. Wäre es nicht ein lauer Hamelner Frühlingsabend gewesen, hätte man sich in legendäre „Schimpf-vor-12“-Silvesterauftritte der Münchner Lach- und Schieß-Gesellschaft oder der Berliner Stachelschweine zurückversetzt gefühlt.

Sowohl die inhaltliche Mischung wie auch die formale Präsentation der „Stichlinge“ waren überaus stimmig. Da standen mitreißende Soli etwa von Kirsten Gerlhof, sei 15 Jahren dabei und Hausmann designierte Nachfolgerin, als Angela Merkel oder Bundeswehr-Generalin neben mit gewandten Wortspielereien gespickten und originellen Details inszenierten Gruppenszenen, und auch die von Pit Witt am Flügel begleiteten Songs waren allerbeste Kabarettunterhaltung.

Die „Stichlinge“ haben bewiesen, dass weder der traditionelle Formenapparat noch das politische Ensemble-Kabarett tot ist. Ganz im Gegenteil. Gerlhofs vor schwarzem Humor nur so triefendes „Lullaby“ zum Thema Kindesmissbrauch oder die Organversteigerung in „Hirntod“ waren sprachlich wohl austariert, nie überspielt und von erstaunlicher Textqualität.

Brennend aktuell die „Volle Drohnung“, Annika Lindemanns Kristina Schröder-Persiflage „Kita Sorglos“, ein Friseurgespräch über „Peer Saldo“ oder Frank Oesterwinters beklemmender Blick hinter die Kulissen des Seniorenheims „Abendsonne“.

Von Klaus Wowereits „Fluchhafen“ bis zu Uli Hoeneß „off-shore-Investments“, alles in rundum erstklassige Satire gefasstes Kabarettgold.

Angesichts von lauem Frühlingsabend und Honky-Tonk-Nacht war die schwache Publikumsresonanz zwar erklärbar aber gänzlich unverdient. Aber, so Birger Hausmann: „We´ll be back“. Die „Stichlinge“ haben Gefallen an Hameln gefunden. Was absolut auf Gegenseitigkeit beruht.

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