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„So wahr ich lüge“ – Der Detmolder Münchhausen

„So wahr ich lüge“ – Der Detmolder Münchhausen

Sonntag, 26. Mai 2013

Das Talent zu lügen ist ein Laster, dessen die Dummen nicht fähig sind“, sagt Pierre Corneille 1643  in seinem Lustspiel „Le menteur“, und Wolf Schneider stellt fest: „Es ist die Lüge, die uns wärmt.“ In diesem Sinne dürfte es einem beim Gastspiel des Landestheaters Detmold sehr warm ums Herz geworden sein, brachte doch das Ensemble Erich Kästners „Münchhausen“ in einer Inszenierung von Johanna Schall auf die Bühne, die an Buntheit, Ausgelassenheit, Spielfreude und Fantasie nicht das Geringste zu wünschen übrig ließ.

Allein schon Kästners Text, ein Meisterwerk fern jeder in diesem Kontext nicht seltenen volkstümlichen Kitschigkeit, ein augenzwinkerndes Kabinettstückchen, voll prallem Wortwitz und sich oft erst im Nachhinein erschließender Tiefgründigkeit.

Umgesetzt wurde die Geschichte vom Lügenbaron aus Bodenwerder in einem an Kostüm- und Farbenpracht schwelgenden Spiel, in dem   alle Akteure gleich in  mehreren Rollen brillieren konnten.

Wer allerdings erwartet hatte, dass hier der Mythos Münchhausen im Stil eines auf der Kanonenkugel durchs große Haus schwebenden Hans Albers fröhliche Wiederauferstehung feiern würde, der wurde aufs Angenehmste enttäuscht. Die Detmolder präsentierte einen Münchhausen (hellwach und pfiffig Stephan Clemens), dessen maßvolle und zugleich maßlose Fabulierkunst absolut entzückte. „Du bist ein Romantiker“, ruft ihm sein Alter Ego, der dunkle, dämonische Cagliostro (Markus Hottgenroth auch als Schnellläufer einfach brillant) nach. „Ich will nicht Macht, ich will Leben“, antwortet ihm der bezeichnenderweise in eine schneeweiße Uniform gekleidete Baron, der mit seinem Sancho Pansa, dem getreuen Kuchenreutter, von Geschichte zu Geschichte eilt. Bodenwerder, Braunschweig, St. Petersburg, bis hinauf auf den Mond führt die Reise.

Grell, mit fast surrealistischen, ja ans Absurde grenzenden Regieeinfällen gibt Johanna Schalls Inszenierung Kästners Text zusätzliche Würze. So wird die im Ufa-Film überaus schwülstige Sterbeszene des Kuchenreutter auf dem Mond durch zwei Astronauten hinterspielt, die darum wetteifern, wer als erster die Flagge aufpflanzen darf. Der Russe gewinnt, Kuchenreutter ist dahin.

Ob Videoprojektionen, Choreografie, Mono- oder Dialoge, alles ist stimmig und selbst Anflüge von slapstickigem Klamauk bleiben funktional.

Während das jüngere Publikum diesen Detmolder Münchhausen mit viel Spaß und spontanen Lachern quittiert, zeigte sich manch älteres Semester verunsichert. Der lange Schatten des Hans Albers ließ grüßen.

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