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Blinde Gäste erfühlen sich die „Pluto“

Blinde Gäste erfühlen sich die „Pluto“

Mittwoch, 26. Juni 2013

Der 19-jährige Emmanuel ist restlos begeistert. „Das habe ich das letzte Mal vor sechs Jahren gemacht. Richtig cool. Das hat ordentlich gewackelt. Und der Wind war kühl. Und dann die Schwimmwesten, toll.“ Der aufgeweckte junge Mann empfindet dieses Erlebnis ganz anders als viele seiner Altersgenossen. Emmanuel ist von Geburt an blind.

Zusammen mit fünf Mitschülern der Abschlussklasse des  Landesbildungszentrums für Blinde aus Hannover-Kirchrode (LBZB) ist Emmanuel ein paar Stunden lang zu Gast auf dem ehemaligen Minensuchboot „Pluto“, das seit 1992 im Hamelner Hafen vertäut vor Anker liegt

Organisiert hat den Besuch Emmanuels Vater. Ludwig Ernst kommt aus Obernkirchen, ist Mitglied der dortigen Reservistenkameradschaft und pflegt gute Beziehung zur Hamelner Marinekameradschaft, deren Vereinsheim die „Pluto“ ist.

In zwei Sturmbooten sind die Jugendlichen an diesem kühlen Morgen von Hajen weserabwärts nach Hameln gekommen, schwenken kurz vor Mittag in weitem Bogen in Richtung auf den schwankenden Landungssteg, und tasten sich – unterstützt von Helfern – an Land. Über eine kleine Brücke geht es an Bord, von wo Bratwurstduft über das Boot weht.

Roger Salzenberg von der Marine-Reservistenkameradschaft Hameln begrüßt die Gäste offiziell und berichtet aus der Geschichte des hölzernen Bootes, das seinerzeit Teil der deutschen Schnellbootflotille im Ostseehafen Olpenitz war.

„Das ist eigentlich ein ganz normaler Schulausflug“, erklärt Lehrerin Alex Nitsch. „Wie alle anderen Schüler auch wollen auch unsere einen Tag vor den Ferien und den Zeugnissen noch mal was richtig Spannendes erleben“, so die 43-Jährige. „Eben eine klassische Schulabschlussveranstaltung.“ „Die Fragen, ´oh wie empfinden die das?´ und ´wie kommen die damit bloß zurecht?´ sind nicht angebracht“, ergänzt ihre Kollegin. „Unsere Schüler kennen die Welt nicht anders, und es ist unser Job immer wieder neue Übergänge zur Normalität zu schaffen.“

Behutsam geführt, tasten sich die jungen Gäste unter Deck; erspüren die Steilheit der Auf- und Abgänge, die Enge der Unterkünfte. „Das ist selbst für mich eng“, stellt der gewichtige Salzenberg lachend fest, und füllt den Türrahmen komplett aus.  Begeistert schlägt derweil Frederik die Glocke der „Pluto“ an, während Marinereservist Salzenberg den Unterschied zwischen einem Boot und einem Schiff sowie die Maße und die Lebensgeschichte der „Pluto“ referiert.

„Am LBZB unterrichten wir 180 Schüler in verschiedenen Abteilungen“ erklärt Alexa Nitsch. „Dazu gibt es diverse Berufsschulzweige und Frühförderung.“

Die Gesichter der jungen Gäste strahlen, als Ludwig Ernst und die Helfer sie wieder nach oben an Deck führen. „Ich mache jetzt ein Berufsvorbereitungsjahr, weil ich mich in Sachen Computer noch fit machen will. Microsoft Excel und so, wissen Sie?“, erzählt Emmanuel. „Und bevor wir alle auseinander  und in andere Klassen gehen, da war das hier echt noch ein cooler Abschluss.“

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