Zeilen Sprung – Das Redaktionsbüro

Die Mittagssonne brennt und Claudia Schumann sucht Schatten und etwas Entspannung in ihrem Garten. Bienen umsummen eine Unmenge farbiger Blüten. Ein privates Idyll und idealer Rückzugsort hinter dem kleinen Reihenhaus im Hamelner Stadtteil Wangelist, nur wenige Meter vom tosenden Verkehr der B1 entfernt. Hier findet die Direktkandidatin der „Piraten“-Partei Kraft und Ruhe für ihren Wahlkampf. Seit sechs Jahren wohnt die in zweiter Ehe verheiratete 52-Jährige hier. Ihre drei Kinder seien längst erwachsen und aus dem Haus, so die mehrfache Oma. Geboren in Berlin sei sie schon als Sechsjährige an die Weser gekommen. Erst nach Vlotho, dann nach Groß-, später nach Klein Berkel. Die Politik allerdings habe sie erst sehr spät entdeckt.  „So vor 1 ½ Jahren wurde ich parteipolitisch aktiv“, erinnert sie sich.

„Nur Wut zu zeigen, das hat mir nicht mehr gereicht“, bekennt die gelernte Betriebswirtin, die in Bürgerinitiativen wie „Mehr Demokratie“ oder „Wir laufen mit“ aktiv ist. „Da begleiten wir Menschen zum Amt und erfahren viel Ratlosigkeit und Resignation“, berichtet sie „Zu viele haben einfach nicht die Kraft, und wissen auch nicht wie etwas geändert werden könnte.“

Für die frisch gewählte Vorsitzende des Kreisverbandes der „Piraten“  hat das mit dem Machterhalt der Mächtigen zu tun. „Es ist das Interesse der Berufspolitiker, ihren Machtstatus zu erhalten“, fürchtet sie.

Von den anderen Parteien trenne die „Piraten“ sehr viel, stellt die Direktkandidatin im Wahlkreis 46 fest. Vor allem die Vordergründigkeit vorgeschobener Bekenntnisse etwa in der Sozial- und Arbeitspolitik sind ihr ein Dorn im Auge.

„Wir streben deshalb nicht nach parteipolitischen Koalitionen, sondern wollen ausschließlich themenorientiert arbeiten“, stellt Schumann klar. Und so arbeiten die „Piraten“ auf der einen kommunalpolitischen Ebene mit der „Linken“ zusammen, auf Kreistagsebene dagegen sind sie Teil der Mehrheitsgruppe mit SPD und Grünen. „Wir treffen keine Koalitionsaussage. Wir wollen je nach Lage unsere Themen punktuell einbringen.“

Soziales, Arbeit, Bildung, Wirtschaftspolitik? Für Claudia Schumann sind das alles Unterpunkte des einen, zentralen Begriffes, um den sich bei der Piraten-Programmatik alles dreht: Der Befähigung zur Teilhabe aller an allem. „Bürgerbeteiligung wird bei uns ganz groß geschrieben“, versichert Schumann. Schon an der Basis wird ein sich von anderen Parteien deutlich unterscheidender Kommunikationsstil praktiziert. Da werden etwa „offene Tagesordnungen“ abgearbeitet, die online neben Mitgliedern jeden Interessierten mit einbeziehen. Es ist die von den Alt-68ern gewünschte gute alte „permanente Diskussion“, die da im digitalen Zeitalter neuen Aufwind bekommt. Der nächste Schritt? Für Claudia Schumann ist klar: „Eine ständige Mitgliederversammlung und die direkte Mitwirkungsmöglichkeit vom PC aus“.

Natürlich seien Beschlüsse von Parteitagen verbindlich, seien bei Entscheidungsfindungen und Abstimmungen Kontrollelemente vorhanden, die Missbrauch und stimmungsabhängige Beliebigkeit ausschlössen.

Die „Piraten“ also vor allem eine Partei der Nerds? „Schon lange nicht mehr“, entgegnet Schumann. Studenten, Rentner, auch Arbeitslose, Menschen aller Schichten hätten die „Piraten“ als Alternative und Mitwirkungsmöglichkeit entdeckt.

Schumanns persönliches Ziel? „Ich weiß, dass ich als Direktkandidatin nicht gewählt werde, aber einen Plan B habe ich nicht. Ich würde mich über fünf Prozent freuen“, so Schumanns ehrliche Antwort. Die Partei habe sich gemausert, sei längst in der Parteienlandschaft angekommen, wisse die Bürger anzusprechen.

„Ob nun ein brisantes Thema wie das bedingungsloses Grundeinkommen – zu dem es am 18. August einen Aktionstag in Hameln gibt –  oder welches andere Thema auch immer“, so Claudia Schumann, „es geht uns vor allem um die Befähigung der Bürger zur Mitwirkung am Gemeinwesen. Das zu stärken ist die wichtigste Aufgabe, denn nichts ist schädlicher als Resignation und Wahlverweigerung.“