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Brigitte Wehrhahn als Wutbürgerin

Brigitte Wehrhahn als Wutbürgerin

Mittwoch, 11. September 2013

„Wie viele Male kann man sich eigentlich totlachen? Einmal natürlich nur“, kalauert die Eimbeckhäuser Plattdeutsch-Kabarettistin Brigitte Wehrhahn – und beweist sofort das Gegenteil. Denn bei der Premiere ihres neuen, mittlerweile achten Programms „Wat för ne Tait?“ im Deutschen Stuhlmuseum in ihrem Heimatort gab´s Lachsalven ohne Ende.

Bild: Brav war gestern – Brigitte Wehrhahn bei ihrer Premiere im Deutschen Stuhlmuseum

„Glaubst Du an Liebe auf den ersten Blick oder soll ich noch mal reinkommen?“ Es dauert nur Momente, dann ist Brigitte Wehrhahn auf Betriebstemperatur, redet und kalauert sich in ein furioses Gewitter von mit Alltagsweisheiten durchsetzter Zeitkritik hinein.

Die Aufreger, die Wehrhahn mit „Da krieg´ ich ne Wallung“ kommentiert, sind zahllos. Atemlos haut die Wutbürgerin ihrem Publikum die gesellschaftlichen Schieflagen um die Ohren. Längst ist die Zurückhaltung früherer Programme einem offensiven, mitunter recht aggressiven Vortragsstil gewichen. Behördendeutsch, Managergehälter, Steuerungerechtigkeiten, Eitelkeiten, Abzockerei, was immer ins Visier der Eimbeckhäuserin gerät, steht zum Abschuss bereit.

Mit einem „Was mich noch aufregt …“ eilt sie zum nächsten Skandal; eben noch „pimp my Schnitzel“, dann der „coffee to go – jetzt auch zum Mitnehmen“, gleich darauf taucht sie ein ins „Steuergeld Bermudadreieck Hamburg, Berlin, Stuttgart“. „Halleluja Deutschland, hurra wir verblöden, tralalala“, schreit sie erschöpft.

„Behaltet bloß diesen  Wackelkandidat im Auge!“ mahnt sie die Münderaner CDU in Sachen Thomas Konior, regt Blumenkästen wie an den Häusern der Heidelberger Altstadt an, mahnt die Bundestagsabgeordnete Lösekrug-Möller, die „Bodenhaftung nicht zu verlieren“, und kokettiert angesichts des Wirbels um Olivia Jones, ob sie selber nicht auch mal Ehrenbürgerin von Bad Münder werden könnte.

„Ich krieg´ noch ´n Herzschlag“, stellt sie fest, und philosophiert tiefschürfend: „Wenn eine Hand die andere wäscht, sind viele Hände schmutzig.“

Wehrhahns sorgfältig recherchiertes Programm ist deutlich aggressiver, schärfer, lauter als alle bisherigen. Bewährte Kalauer und Witze aus dem ländlichen Milieu schaffen zwar kurze Atempausen, doch die ohnmächtige Wut über die Dreistigkeiten vieler Zeitgenossen überwiegt. Populismus? Und wenn schon. Brigitte Wehrhahn bietet ihrem Publikum einen Abend lang ein Ventil, um Aufgestautes loszuwerden und befreit durch Lachen. Stellvertretend für ihr Publikum lädt sie sich Sorgen und Wut auf, und spricht sie – fast bis zur Erschöpfung – aus. Überspitzt und undifferenziert, sicher, aber ihre Zuhörer gewinnen so neue Kraft für den Alltag. Was will man schließlich mehr?

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