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Das Unfassbare fassbar machen

Das Unfassbare fassbar machen

Donnerstag, 02. April 2015

WebWK1Im großen Haus des Theaters sitzen an diesem Abend fast nur Jugendliche – und die sind stumm und starr angesichts dessen, was sie auf der Bühne sehen. „So was kann man nicht jeden Abend spielen“, sagt Schauspieler Oliver Hermann bei der anschließenden Diskussion. „Weltenbrand“, so heißt das Stück, das auf einem 1930 geschriebenen Collage-Roman des Kriegsteilnehmers Etlef Koeppen beruht.

In seinem „Heeresbericht“ schildert der die Geschichte von Adolf Reisinger und dessen Wandel vom kriegsbegeisterten Jugendlichen zum schwer traumatisierten, fast greisenhaften Mann am Kriegsende. Immer wieder wird die auf Originaldokumenten beruhende Handlung gebrochen durch Einsprengsel von Heeresberichten, Reden des Kaisers, Verlautbarungen der Obersten Heeresleitung, aber auch von simpler Seifenwerbung im Stil der Zeit. Trommelfeuer, Kavalleriemassaker, Kriegszitterer, Gasangriffe, was die vier Schauspieler auf die Bühne bringen, geht unter die Haut, hinterlässt tiefe Beklemmung und Betroffenheit. Riesige Projektionen von historischen Fotomaterial, Feldpostbriefen, Musik und Geräuschen der Zeit sowie Gedichte des 1914 gefallenen August Stramm befeuern den „Weltenbrand“.

WebWK1_2„Auch wir spüren trotz aller professionellen Distanz die ungeheure emotionale Intensität dieser Collage immer wieder neu“, erklärt Michael Bideller. Dabei verzichtet das Stück auf jegliche ideologische oder politische Stellungnahme. Die Dokumente und die behutsame musikalische Gestaltung durch Marcus Voigt sprechen eine viel eindringlichere Sprache, lassen sehr drastisch deutlich werden, was Menschen widerfährt, die in einen Krieg geraten. Es ist gerade diese existenzielle Erfahrung zum menschlichen Leiden, das auch die Schüler im Saal erfasst. „Wir machen das als Vorbereitung auf die Lektüre von Remarques ´Im Westen nichts Neues´“, erklären drei Mädchen. „Und auf den sind wir jetzt echt gespannt.“

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