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Lipkinds heißer Tanz um Schubert

Lipkinds heißer Tanz um Schubert

Dienstag, 09. Juni 2015

WebLip2Es herrscht drangvolle Enge im übervollen „Schaafstall“, die Schwüle lässt den Schweiß von der Stirn tropfen, doch wenn Star-Cellist Gavriel Lipkind mit seinem Quartett drei Schubert-Werke in Szene setzt, ist ein musikalisches Elementarerlebnis garantiert.

Lipkind ist als Künstler und Gast dem „Schaafstall“ eng verbunden, gastierte bereits sechsmal als Solist mit wechselnden Formationen an diesem Ort. Unvergessen seine Interpretation von Schuberts C-Dur Quintett im November 2005.

Dennoch, an Lipkinds Verständnis um Schubert spalten sich die Geister. Feiern ihn die einen wegen seiner konsequenten Abkehr von traditionellen Ansätzen, lehnen ihn andere als zu expressiv, zu selbstverliebt, gar manieriert ab. Letztere freilich blieben bei Lipkinds heißem Tanz um Schubert im Egestorfer im „Schaafstall“ in der Minderheit. „Lipkind plays Schubert“, das sei, so der Musiker, „ein Art monolithisches Programm“ rund um Schubertsche Cello-Kompositionen, mit dem Anspruch „etwas Ungewöhnliches, eine neue Idee, zu realisieren.“ Gegenstand dieser Bemühungen ist vor allem Schuberts „Arpeggione-Sonate“ von 1824, und auch das erneut vorgetragene Streichquartett C-Dur wird von Lipkind und seinem Ensemble mit einem fulminanten Schluss ausgestattet.

„Da habe ich Hitzewallungen bekommen“, gesteht eine Besucherin, andere empfinden das Spiel des von Lipkind deutlich dominierten Quartetts „einfach als rundum beglückend“. Die „Schaafstall“-typische Nähe des Erlebens, die Hitze, das Ambiente verstärken den Seele und Körper erfassende Musikgenuss. „Als ob man auf seinem Schoß säße und seinen Atem spürt“, entzückt sich eine weitere Konzertbesucherin.

Lipkind offeriert Schubert vor allem in dessen Zerrissen- und Gebrochenheit, lässt tragische Momente seiner Musik mit fast melodramatischer Intensität deutlich werden. Keine Frage, dass ein derlei psychoakustischer Tanz um Schubert die einen erregt, andere verunsichert.

Aber auch der Ausnahmecellist zeigt sich verändert. „Kammermusik ist die beste Musik, die wir haben“, sagt er. Und ja, die Arbeit im Quartett habe ihn verändert, habe stark auf seine Soloarbeit zurückgewirkt. Gleichwohl sei alles noch immer „unglaublich schwierig.“ Es ist wohl gerade dieses auf technisch sehr hohem Niveau realisierte Ringen um die Suche nach neuen Zugängen zu Altbekanntem, das die Faszination des Gavriel Lipkind und seines Quartetts ausmacht.

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