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Kino in der Kirche

Kino in der Kirche

Donnerstag, 26. November 2015

WebKinoDer Ehemann ist von Eifersucht getrieben und verfolgt seine attraktive Ehefrau auf Schritt und Tritt. Bei einem abendlichen Essen glaubt er, endlich den Beweis für ihre Untreue zu haben. Er beobachtet ein Schattenspiel hinter der Gardine. Seine Frau wird von Männerhänden begrapscht. Doch die Schatten täuschen. In Wahrheit handelt es sich um eine bedeutungslose Geste.

„Schatten“, das ist der Titel eines 1923 in der Regie von Arthur Robison entstandenen Stummfilms mit Fritz Kortner und Ruth Weyher in den Hauptrollen. Gezeigt wurde der Streifen aus den Kinderjahren des Films jetzt von der Arbeitsgemeinschaft „Film in Bad Münder“ auf der gut vier mal zwei Meter großen Leinwand in der Petri-Pauli-Kirche. Das Besondere: der in Bautzen als Kirchenmusikdirektor tätige Michael Vetter erweiterte die optische Dimension um die des Tons durch eine Orgelbegleitung des Films.

Seit 2000 findet alljährlich im November ein solches Stummfilmspektakel in der Kirche statt.

„Wir haben diesen Film ausgewählt, weil er zeigt, wie in den frühen Jahren der Film über seine eigenen Möglichkeiten reflektiert“, erklärt Filmexperte und Petri-Pauli-Pastor Dietmar Adler.

Gerade „Schatten“ zeige meisterhaft „den im expressionistischen deutschen Stummfilm zur Vollendung entwickelten Gebaruch von Licht, Schatten und Spiegeln“, zitiert Adler aus einer Besprechung des Streifens.

Neben Fritz Kortner agieren auch andere, später bekannt gewordene Schauspieler wie etwa Fritz Rasp oder Max Gülstorff in einem Spiel um Licht und Schatten, Wahrheit und Täuschung. Adler dazu: „Eigentlich verbindet der Film von 1923 uns auch mit der Medienethik heutiger Tage, und stellt die Frage: wem und was dürfen wir trauen?“

In „Schatten“ sorgt erst ein Schattenspiel, das ein anwesender Schausteller den Betroffenen vor Augen führt für endgültige Klarheit.

Michael Vetter begleitet den Film mit seinen Orgel-Improvisationen. „Ich bin durch einen italiensischen Freund 1999 dazu gekommen, alte Filme auf diese Weise zu bearbeiten“, erzählt er. Nachdem er sich den Film mehrfach angesehen hat, spielt Vetter auf der Rohlfs-Orfel mit Blick in einen Monitor sehr akzentuierte Improvisationen. Die unterstreichen die jeweiligen Szenen und verleihen dem Gesamterlebnis eine zusätzliche Dimension. Mal humorvoll, mal melodramatisch intensivieren sie den dramatischen Charakter einzelner Szenen.

Am Ende aber bleibt die auch heute unbeantwortete Frage: Darf man seinen Augen (und seinen Gefühlen) eigentlich trauen?

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