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Islam-Vortrag erhitzt die Gemüter

Islam-Vortrag erhitzt die Gemüter

Mittwoch, 02. März 2016

WebKaddBeamer defekt, Laptop geht nicht. Der Abend beginnt mit einer Panne. Statt Powerpoint-gestützt muss die Islamwissenschaftlerin und Religionspädagogin Lamya Kaddor notgedrungen die herkömmliche Vortragsform wählen. Kein Problem für die wortgewandte Lehrerin und Vorsitzende des liberal-islamischen Bundes, die schon zum zweiten Mal im Wilhelm-Gefeller-Bildungszentrum der IG BCE am Deisterhang zu Gast ist. Wären da nicht einige vorurteilsbehaftete und auf verbalen Krawall gebürstete Zuhörer, die nur darauf warten, der Vortragenden an passender Stelle ins Wort zu fallen.


Die schildert einleitend die historischen Bedingungen der Entstehung des Koran, setzt den in den Kontext der Biografie Mohammeds, erläutert den unübersichtlichen Aufbau der „an sich unlesbaren“ Religionsschrift, die nur mit der Erklärungshilfe von Kompendien zu verstehen sei.
Dann das erste Wortgefecht mit einem „Diskutanten“ in der ersten Reihe, Typ Rasputin mit Elfenbeinamulett. Der Koran sei schließlich die Grundlage für all die gegenwärtig zu erlebenden islamistischen Horrorszenarien. Kaddor bittet ruhig und gelassen um Präzisierung, widerlegt in differenzierter Darstellung die Pauschalverurteilungen seitens des Zuhörers. So wie das Christentum eine breite Spannweite habe, gäbe es auch keinen einheitlichen Islam. Ein durch den Zuhörer zunehmend aggressiv geführtes Zwiegespräch beginnt und stößt auf den Unwillen des an Sachlichkeit und Information interessierten Restpublikums. Die Diskussionsleiterin greift allerdings erst ein, als die Situation völlig aus den Ruder gelaufen ist. Prompt kassiert sie den Vorwurf der Unbelehrbaren: „Sie manipulieren hier!“
Immer wieder versuchen einige interessierte Zuhörer zusammen mit der Referentin zu versachlichen. Sunniten, Schiiten, Frauenbild, Auslegungshoheiten, politische Aspekte des Islam, doch beim Thema „Scharia“ reitet ein offensichtlich nur oberflächlich informierter Zuhörer in der zweiten Reihe die nächste Attacke. Er ignoriert Kaddors differenzierte Erklärung – oder hat sie nicht verstanden – und stellt die „Scharia“ als Sondergesetz für Moslems dar, hinter den sich Ehrenmorde, Nichtverfolgung von Vergewaltigern und ähnlicher Horror versteckten. Schuld sei einzig der Islam. Basta. Die Diskussionsleitung scheint ratlos, erst entschlossene Beiträge des Publikums verweisen die Unbelehrbaren in die Schranken. „Sagen Sie uns lieber was zu Kopftuch und Gottesbild“, bittet eine Zuhörerin.
Kaddors Erklärungen sind informativ und erhellen historische wie religionsgeschichtliche Fakten und Zusammenhänge. Ihre politische Positonierung ist ebenso unmissverständlich wie eindrucksvoll. („Ich verachte die Saudis genauso wie Sie auch!“) Die unverständliche Verabsolutierung fragwürdiger Autoritäten, die „aus politischer Machtgeilheit“ islamistische Systeme und damit ein völlig pervertiertes Islambild teils gewaltsam stützten, sei das eigentliche Übel.
Irgendwie scheinen sich an diesem Abend die Extreme zu berühren. Starrsinn, Ignoranz und ideologisch festgefahrene Weltbilder korrespondieren mit machtbesessenen religiösen Fanatikern. Keine leichte Aufgabe also für die Menschen guten Willens, die am Ende doch ihren Nutzen aus Kaddors vielschichtiger Betrachtung des Islam ziehen. „Passen Sie bloß auf, dass hier kein Rucksack liegenbleibt. Man weiß ja nie“, knurrt der Rasputin-Typ am Ende grinsend. „Wie tief kann man doch sinken“, stellen drei verärgerte Damen fest.

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