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Musikseife und indische Läuse

Musikseife und indische Läuse

Mittwoch, 01. Juni 2016

WebbB2Im kleinen Vortragsraum im münderschen Museum sieht´s an diesem Sonntagvormittag aus wie in Edisons Werkstatt. Zwischen einer Vielzahl von Trichter-Grammophonen drängen sich die Besucher, für die noch zusätzlich Stühle herangeschafft werden müssen. In einer Ecke wartet vor einem riesigen Aufnahmerichter Chorleiter und Trompetenspieler  Reinhard Grosser, der diesmal ein Cornet spielt, auf seinen Einsatz.

Als mit vereinten Kräften Laptop und Präsentation zum Laufen gebracht sind, entführt Oliver Barmann seine Zuhörer auf sehr lebendige Weise in die Frühzeit analoger Tonaufnahmetechniken.

Weltweit hat der Münderaner Jurist und Sammler Gegenstände aus diesem Technikgebiet zusammengetragen. Anhand von Bauplänen, Fotodokumenten und Ausstellungsstücken erläutert Bargmann wie Erfinderkönig Thomas Alpha Edison, die grundlegenden Prinzipien der wiederholbaren Tonaufzeichnung entwickelte, Schall also dauerhafte speicherte –  und vor allem äußerst erfolgreich vermarktete. Leicht möglich also, dass Barmann dabei der einen oder anderen Legende des amerikanischen Selfmademans par excellence und Chef eines der ersten „Think Tanks“ mit mehr als 250 Mitarbeitern, aufsitzt.

WebB1Dennoch: vor der Speicherung von Tönen war Musik nicht wie heute allgegenwärtig.

Die mit Zinnfolie und „Metallseife“ belegten, stets vom Schimmel bedrohten Walzen galten anfangs als bloße Jahrmarktsattraktionen, doch Edison erkannte den epochemachenden und vor allem kommerziellen Wert des Prinzips.

Beim nächsten technologischen Schritt dann kamen die harzigen Absonderungen der indischen Schildlaus zum Tragen, die als Grundbestandteile der bis weit ins 20. Jahrhundert benutzten Schellack-Platten dienten.

Anschaulich und vor allem anhörbar stellten Grosser und Bargmann dann eine historische Walzenaufnahme-Situation dar. Mangels elektrischer Verstärker bestimmt dabei einzig die Größe des Trichters den Grad der Lautstärke. Das eindrucksvolle Ergebnis: eine typisch kratzige Aufnahme aus der Frühzeit der Tontechnik. Auch im Zeitalter ultraklarer High-Fidelity-Aufnahmen entfalten derart produzierte Musik- und Sprachaufnahmen noch immer einen großen Reiz. Nicht nur bei Kennern wie Bargmann, sondern auch beim Publikum im münderschen Museum.

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