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Zerfall auf Fotos gebannt

Zerfall auf Fotos gebannt

Mittwoch, 14. September 2016

Dwebdecayie 31 großformatigen Fotografien, die Andreas Marquardt für seine Ausstellung ausgewählt hat, umweht der intensive Charme der Morbidität. Neben Industrieruinen, leeren, von Moos, Glassplittern, rostigen Maschinen und aufkeimendem Grünzeug überwucherten Fabrikhallen, zeigt Marquardt auch verlassene Schlösser, mit Räumen, in denen keine mehr lebt. „Lost Places“, so heißt die Szene, in die der 1961 in Hannover geborene Künstler 2008 durch Zufall geriet.

Foto: Andreas Marquardt

Bei einem Fotostreifzug durch die zerfallende Fabrikanlage der Conti in Hannover-Limmer habe es ihn „wie ein Blitz“ getroffen. Seitdem ist er dem Verfall von Gebäuden fotografisch auf der Spur.

Erst komme die Optik, das bildliche Erleben, dann die Recherche über den Ort, so der Fotograf. „Ich gehe rein und lasse mich berieseln“, erklärt er. Und schafft dabei Bilder, die menschenleer sind, die mit ihrer Lichtmalerei aber  eine ungeheuer intensive Atmosphäre besitzen.

„Industrieruinen haben die Verbindung zur Wirtschaft verloren, sind eine Art Mahnmal, Monolithen der jeweiligen Kultur, ein wenig wie abgetakelte Dampfer“, sinniert Marquardt.

Beim Betrachten füllen sich die Räume mit imaginären Stimmen, von denen, die einst dort gelebt, geliebt und, gearbeitet haben. Nun aber herrscht Stille, erobert die Natur allmählich und unaufhaltsam ihren Lebensraum zurück.

„Mein Ziel ist es, die Vergänglichkeit des Technischen, Künstlichen und auch Menschlichen in Fotos festzuhalten. Ich bin begeistert von der Faszination des Erinnerns und der Sehnsucht es auszulösen“, erläutert Marquardt.

Eigentlich sei Fotografie Handwerk, zitiert GeTour-Veranstaltungsmanager Thomas Slappa den großen französischen Fotografen Henri Cartier-Bresson. „Verdichtung, Abstraktion und Bildgestaltung aber machen sie zur Kunst.“

Das Spiel mit Licht und Schatten, die Perspektive, die immense Schönheit, die vom Zerfall ausgehen kann, all das hat Andreas Marquardt in seinen Bann geschlagen. „Die Zeit schreibt Veränderungen“, sagt er, und steht immer wieder aufs Neue überwältigt vor den Zeugen mehr als 100-jähriger Industriegeschichte. Längst haben die Arbeiter, Ingenieure und Firmenleiter diese Orte verlassen, sind die Leben, die hier gelebt wurden, vergangen, doch jetzt haben andere diese verlorenen Orte für sich erobert. Marquardt: „Da trifft man Graffiti-Künstler, Obdahlose, Fotografen wie mich, Geocasher, Wertstoffdiebe, Randalierer, Cross-Golfer und viele andere.“

Die Ausstellung „Zeitspuren“ mit Fotografien von Andreas Marquardt ist noch zum 6. November im Foyer des Martin-Schmidt-Konzertsaals zu sehen.

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