Kinder an die Macht?
Kinder an die Macht?
Mittwoch, 08. März 2017
Eine Zwölfjährige als Ministerpräsidentin? „Warum nicht?“, fragt die Mädchengruppe aus der 5B des Hamelner Schiller-Gymnasiums. „Das ist sinnvoll. Die können auch mal Kinder nehmen, denn die können auch Gutes denken.“ Die Mädchen sind einige der Besucher der Vormittagsaufführung von „Atzes Musiktheater“. Das Berliner Ensemble ist in Hameln durchaus bekannt und beliebt. Mit „Die Ministerpräsidentin“ nach der Romanvorlage des Norwegers Tore Tungodden, übersetzt, bearbeitet und in der Regie von Thomas Sutter, stellt das Stück die Frage, ob eine Zwölfjährige tatsächlich ernsthaft zur Ministerpräsidentin gewählt werden könnte.
Das Singspiel dreht sich vor allem um Werbung und Wahlkampf, um Politik und Medien.
Der Start ist von übertrieben atemloser Rasanz. Hannah (Guylaine Hemmer) wirbelt auf Rollschulen über die Bühne. Ihr Vater (Moritz Ross), ein Hektiker, der für manchen Lacher sorgt, organisiert Wahlkampf und Kampagne. Originell: aus dem Hinterrund mischt sich ein Kühlschrank immer wieder ein.
Hannahs politische Wünsche sind vielfältig: Tierschutz, keine Klassenarbeiten in der sechsten Stunde, späterer Schulbeginn. Das Schülerpublikum im gut besuchten großen Haus regiert mit lebhafter Zustimmung, findet schnell Gefallen an der der Sympathieträgerin Hannah. Musiker am Bühnenrand begleiten an Klavier und Cello.
Eine chaotische TV-Talkshow, deren Bilder auf Monitoren zu sehen sind, bringt die Rolle der Journalisten ins Spiel. Die verlangen von den Kandidaten immer reißerischere Statements. Aber Hannah bleibt ruhig. Dennoch ist klar: Politik ist ein hartes Geschäft.
In der Pause drängen sich die Schülerinnen und Schüler im Foyer um Wahlurnen, werfen Stimmzettel für die fiktiven Parteien ein.
Hannah schafft es, wird Ministerpräsidentin, und schafft das Ministerium für Kinder und Familie ab. Angelegenheiten für Kinder sollten in allen Bereichen berücksichtigt werden, so ihre Erklärung.
Doch die Pläne aus dem ersten Teil brechen in der zweiten Hälfte zusammen. Der Wahlkampf ein aufgelegter Schwindel eines Spekulanten. Nur die Presse brauchte der nicht zu bestechen, die ist von allein auf das Thema abgefahren.
„Wir werden das Buch im Unterricht lesen“, so ein begleitender Lehrer. „Lernziel ist es zum einen, den Kindern ein Verständnis von Demokratie zu geben, sie zum anderen mit der Form des Theaters bekannt zu machen.“ Ein Ziel, das, auch wenn am Schluss der medienkritische Aspekt überspitzt rüberkommt, erreicht wurde. Eine jugendliche Ministerpräsidentin, das sei durchaus ein Thema, fanden die jungen Theaterbesucher. Vielleicht finden nach Atzes Politshow künftig Jugendparlamente ja besserer Zulauf als bisher.