Volksliedreise mit Operamobile
Volksliedreise mit Operamobile
Montag, 29. Mai 2017
Die drei Damen aus Nienstedt in der ersten Reihe singen inbrünstig mit. Ob „Sah´ ein Knab´…“, die „Berliner Luft“ oder „Ich hab´ mein Herz in Heidelberg verloren“, die ehemaligen Kegelschwestern Helga Svoboda (93), Sigrid Schrader (74) und Inge Nagel (73) sind äußerst textfest. Unter dem Titel „Ännchen von Tharau“ hatte Bettina Delius für das fünfköpfige, von Slawomir Saranok am Klavier begleitete Ensemble einen bunten Strauß altbekannter Volkslieder zusammengestellt. Darunter viele, die das Publikum im knapp halb besetzten Martin-Schmidt-Konzertsaal aus vollem Herzen mitsingen konnten.
Ensemble-Chef Alexander Senger hatte zu jedem Lied einige interessante Hintergrundinformationen parat. So erfuhren die durchweg betagten Konzertbesucher, dass Johann Gottfried Herder die Gattung definiert hatte, um das „deutsche Lied“ gegen höfische Gesangsformen des Barock abzugrenzen. „Das Lied ist eine deutsche Erfindung“, so Senger. Und ein Genre, wie die Auswahl von Bettina Delius deutlich werden ließ, von außerordentlicher Vielfalt: Liebes-, Hochzeits-, Fress- und Sauflied, kaum ein Genre hat zudem auch so viele regional unterschiedliche Varianten ausgebildet.
Daher führte die musikalische Volksliedreise dann auch quer durch Deutschland, in den Osten und die angrenzenden Länder.
Sehr zum Gefallen auch eines Damentrios aus Völksen, das in der Sektpause die Leistungen der Akteure begeistert diskutierte. Zum Publikumsliebling ist in den vergangenen Aufführungen zweifellos der aus Polen stammende Tenor Tadeusz „Teddy“ Galzcuk avanciert, der als lustiger Wandersmann mit Rucksack und Kniebundhose auch diesmal wieder die Herzen der Damenwelt eroberte. Er ist auch der Favorit der 77-jährigen, wie immer stilecht im Dirndl erschienenen Helga Voigt aus Bad Eilsen. Die hatte infolge einer Herzoperation eine Zwangspause einlegen müssen. „Endlich bin ich jetzt wieder dabei“, freute sich der „Operamobile“-Fan der ersten Stunde.
Immer wieder machte die Senger-Truppe den Zusammenhang zwischen Kunst- und Volkslied deutlich. Etwa bei der Schubert-Vertonung von „Das Wandern ist des Müllers Lust“ oder Heinrich Heines „Loreley“. „Wie das Volkslied, so ist auch das Kunstlied von Deutschland aus in alle Welt verbreitet worden“, erklärte Senger.
Einmal mehr hat das „Opern- und Operettencafé Operamobile“ älteren Menschen, die sonst kaum die Möglichkeit der Teilhabe an kulturellen Veranstaltungen haben, die Möglichkeit gegeben aktiv in Erinnerungen zu schwelgen. Auch wenn deren Zeiten der „güldenen Bänder“ und „rotlippigen Kussmünder“ schon lange passé sind. Ob mittlerweile in Bad Pyrmont, Langenhagen, Hannover oder auf der Wittenburg bei Elze, „Operamobile“ leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Kulturarbeit mit Senioren. Auch in diesem Jahr wird Ende Juli wieder der mittlerweile sechste „Wittenburger Opern- und Operettensommer“ mit Johann Strauß´ „Eine Nacht in Venedig“ und der großen „Paul-Lincke-Gala“ stattfinden.