Chancengleichheit?
Chancengleichheit?
Freitag, 26. März 2010
Die Chancengleichheit im deutschen Bildungswesen ist nur eine Illusion
Es ist eine nach wie vor unveränderte Tatsache: wie in kaum einem anderen Land sind die Bildungschancen deutscher Kinder vom Geldbeutel und der sozialen Herkunft ihrer Eltern abhängig. Bildungspolitische Chancengleichheit sei und bleibe eine Illusion. So die aus Bozen stammende und an der Berliner Humboldt-Universität arbeitende Dr. Edith Pichler in ihrem Vortrag anlässlich einer Diskussionsveranstaltung vor dem Wilhelm-Gefeller-Kulturverein der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE).
Kinder aus bildungsfernen Schichten hätten geringere Chancen als jene, die über ausreichend „kulturelles Kapital“ verfügten. Pichler: „Wer aufgrund seiner Herkunft in einem Milieu aufwächst, das ihn an Bücher, Musik, Kunst und Zeitungen heranführt, wessen Eltern akademische Bildungstitel haben und durch finanzielle Mittel unabhängig sind, der bildet einen klassenspezifischen Habitus aus, der ihm höherwertige Bildungschancen eröffnet.“ Ein Teilnehmer drückte es plastischer aus: „ Wenn der Vater Nachtschicht fährt und die Mutter tagsüber mitarbeiten muss, wer kontrolliert da die Hausaufgaben?“
Zudem verhindere eine zu frühe Selektion im dreigliedrigen Schulsystem die Bildungschancen sozial Schwächerer.
Ausführlich beschäftigte sich Pichler anhand detaillierten Zahlenmaterials mit den Bildungschancen von Migrantenkindern. Auch scheinbar gut integrierte Gruppen wie die Italiener seien dabei „bei weitem nicht so gut integriert“ und würden „durch das selektive System bestraft“.
Auch eine Gesamtschule à la NRW sei keine Patentlösung, so Pichler im Gegensatz zu Gesamtschulverfechtern im Publikum.
Giovanni Pollice von der Abteilung Migration/Integration der IG BCE wies auf „dringenden Handlungsbedarf“ hin, da bereits 36,6 Prozent der 20 bis 25-jährigen Migranten ohne abgeschlossene Ausbildung seien. Mittlerweile hätten 19 Prozent der Bevölkerung einen Migrantenhintergrund. Jedes sechste Kind stamme aus einer Familie ausländischer Herkunft. Pollices Fazit: „Wir brauchen eine ganzheitliche Bildung vom Kindergarten bis zur Hochschule, vom dualen System bis zur beruflichen und außerberuflichen Fortbildung.“