Zeilen Sprung – Das Redaktionsbüro

05042 - 504 008

info@zeilen-sprung.de

Steuergerechtigkeit?

Steuergerechtigkeit?

Donnerstag, 01. April 2010

„Wir wollen keine Neiddebatte, aber dennoch klar machen, dass viele Vermögende ihre Millionen am Fiskus vorbeilenken und deshalb stärker zur Kasse gebeten werden sollten“, stellte der Ortsgruppenvorsitzende der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie und Energie (IG BCE), Hans Georg Diekmann, einleitend fest. Mit dem Journalisten Sascha Adamek hatte Diekmann einen der wohl fachkundigsten Autoren zum Thema „Steuergerechtigkeit“ gewinnen können. Mit auf dem Podium im „Deutschen Haus“ die beiden Landtagsabgeordneten Christian Grascha (FDP) und Markus Brinkmann (SPD), beides Haushalts- und Finanzexperten.

Dass Vermögende beim Fiskus weitgehend ungeschoren davonkommen, die Steuerfahnder, technisch und personell völlig unterbesetzt, einen nahezu aussichtslosen Kampf gegen Steuerhinterzieher führen, die Steuerschlupflöcher zahllos und die bürokratische Regelungswut ebenso grenzenlos wie grotesk ist, veranschaulichte Adamek anhand einiger Passagen seines Buches „Schön reich – Steuern zahlen die anderen“. Da schonten manche Länderbehörden Millionäre, um Arbeitsplätze nicht zu gefährden, da segelten Behördenleiter hart am Rande der Strafvereitlung im Amt, ja da regiere mitunter offene Erpressung und gnadenloser Lobbyismus. Steuergerechtigkeit Fehlanzeige.

Spannend wie ein Krimi rollte Adamek etwa das Schicksal jener hessischen Steuerfahnder auf, die infolge zu großen Amtseifers von ihrem Dienstherren in Stasi-Manier „psychatrisiert“ und in Frührente geschickt wurden.

Adamek: „3000 fehlende Betriebsprüfer kosten etwa 80000 Euro im Jahr, bringen aber jeder rund 1,5 Mio. Euro ein. Hier verzichtet der Staat auf sehr viel Geld.“

In Niedersachsen sei man hinsichtlich der Personalausstattung trotz allgemeinem Personalabbau im Steuerbereich „konstant“ geblieben, erwiderte Grascha. „Das reicht nicht“, konterte Brinkmann. Die lebhafte Diskussion der rund 20 Gäste drehte sich um die föderale Struktur der Steuerbehörden ebenso wie um die Selbstanzeigeproblematik und brachte nur beim Thema „Ist oder Soll-Besteuerung“ Einigkeit.

Allgemein kritisiert wurde die Straffreiheit bei Selbstanzeige. „Millionenschwere Steuerkriminelle werden besser behandelt als Ladendiebe“, so eine Stimme aus dem Publikum.

Unter dem Strich eine von Oliver Venzke (IG BCE Hannover) kreativ und umsichtig geleitete Diskussion, die bei Verzicht auf platte Vorwürfe und Klischees sehr sachbezogen verlief. Dennoch stand am Ende die Einsicht: von Steuergerechtigkeit auch weiterhin nicht die geringste Spur.

Weitere Einträge