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Unter Narren

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Samstag, 03. April 2010

narr„Biste jeck?“ – Radio Aktiv Reporter unter Narren

(Ein Beitrag für die RADIO AKTIV Zeitung RAZ)

„Biste jeck? Doch nicht bei so einem Schneewetter und diesen Temperaturen!“ mault meine bessere Hälfte. „Zwischen Pötzen und Texas liegt der Schnee bestimmt meterhoch und der Sturm bläst uns von der Straße.“ Egal, ob´s stürmt oder schneit, Widerstand ist zwecklos, schließlich ist der Oldendorfer Karnevalsumzug mittlerweile für den Berichterstatter sozusagen Radiokult. Also Mikro geschnappt und ab geht´s.

Gutes Durchkommen hinter Pötzen, die Schneewehen sind gnädig, nur die weiträumige Absperrung des Oldendorfer Narrenareals zwingt uns auf einen Parkplatz am Ortsrand. Nach zehn Minuten Fußmarsch stoßen wir dann aber direkt hinein in den Bereitstellungsraum der rot-weißen Jecken. Deren Cheforganisator Werner Achilles ist damit beschäftigt von einem kleinen Kombi aus seine Truppen generalstabsmäßig in Stellung zu bringen und delegiert das Interview an zwei kampferprobte Karnevalsfunktionäre. Eine „Tollität“ und seine „Lieblichkeit“. Die geben Antwort auf meine W-Fragen (Wer? Was? Wann? Wie? Wo? Warum?). Gott sei Dank, die „basics“ sind im Kasten. Das Gerüst des Beitrags ist gesichert. Wie immer beim Beitragmachen weicht an diesem Punkt der erste Druck und macht den Weg frei für allerlei kreative Einfälle mit denen man Farbe in die Berichterstattung bringen kann. Musik beispielsweise ist so ein belebendes Beitragselement.

Und davon gibt´s hier jede Menge. Laut, sehr laut, zu laut. Die Aussteuerungsanzeige meines Handrecorders spielt verrückt und ich springe in den Tiefschnee eines Vorgartens, um den Abstand zu den aus Leibeskräften trompetenden und auf die Pauke hauenden Narrenmusikern zu erhöhen. War wohl keine gute Idee. Langsam kriecht mir die Eiseskälte die Beine hoch und das Gefühl in meinen Zehen lässt nach. Dann erspähe ich es plötzlich. Das Objekt meiner Begierde.

Wuchtig, mit majestätischer Würde und unaufhaltsam rollt der Fest- und Prunkwagen des diesjährigen Karnevalsprinz und seiner holden Prinzessin heran. Die thronen in luftiger Höhe, schmettern ihr eigens komponiertes Lied per Lautsprecheranlage mit unerbittlicher Phonstärke unter ihr närrisches Volk und lassen aus Kisten und Kasten Bonbons, Schokoladen und Mini-Flachmänner herabregnen. Wahre Horden von Umzugsteilnehmern raufen sich um die prinzlichen Gaben, ignorieren Schnee, Matsch und Kälte. Ich aber habe nur einen Gedanken: wie komme ich da oben hin, um ein Interview mit dem Prinzenpaar Torsten I. und Sabine II. zu machen.

Momente später hat mich der närrische Adel erspäht, winkt mich huldvoll heran und einige Adjutanten wuchten mich aufs langsam dahinrollende Gefährt. Nicht ohne Gedanken an einen jähen Absturz klettere ich voll Todesverachtung („Wollte zu hoch hinaus – Radio Aktiv Reporter stürzt vom Prinzenwagen“) die wacklige Sperrholztreppe hinauf zu den beiden „Tollitäten“. Mikro an und los …

Soso, eine lange Unterhose hat die Prinzessin ihrem Prinzen verordnet. Jetzt weiß ich, was ich vergessen habe. Mittlerweile habe ich gar kein Gefühl mehr in den unteren Regionen, alles ist wie taub und zu Eis erstarrt. Aber egal, Reinhold Messner soll ja auch keine Zehen mehr haben. Mit einem richtigen Karnevalsorden für meinen heldenhaften Einsatz belohnt, beginne ich den vorsichtigen Abstieg vom Prinzengipfel, setze euphorisch zu einem Sprung über die letzten Stufen vom Wagen hinab an, um mit einem großen Platscher direkt in einer tiefen Schneematschpfütze zu landen.

Schnell noch ein Bild mit zwei amüsierten Funkenmariechen zwecks Dokumentation. Jemand beschmiert mich obendrein noch mit Lippenstift-Herzchen. Dann endlich erfolgt der geordnete Rückzug. Zuhause ein heißes Fußbad und zahlreiche alkoholische Heiß- und Kaltgetränke. Fazit: keine bleibenden Schäden, aber wie immer unendlich viel Spaß bei den Jecken in Hessisch-Oldendorf. Darauf ein dreifach „Hessisch-Oldendorf helau“.

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