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Hochzeitsreise

Hochzeitsreise

Mittwoch, 21. April 2010

Boulevard, zumal wenn von der wohl renommiertesten Bühne dieses Genres, der „Komödie am Kurfürstendamm“, präsentiert, garantiert volle Häuser. Nichts aber gönnt man dem Theater Hameln lieber als ein „seit Wochen ausverkauft“. Das Berliner Boulevard-Erfolgsrezept: eine Besetzung aus „Stars in Lebensgröße“, und ein Erfolgsstück wie Noël Cowards „Die Hochzeitsreise“.

Doch das, 1930 uraufgeführt, ist ebenso in die Jahre gekommen wie der Sonnenstudio gegerbte, seinen fortwährenden Pierre-Brice-Charme versprühende Boulevard-Altstar Herbert Herrmann. Der hat versucht dem Coward-Klassiker neues Leben einzuhauchen. Vergeblich. Statt die Beziehungstiefen der sich mit frischen Partnern auf neuerlicher Hochzeitsreise zufällig wieder begegnenden Amanda und ihres Ex Elliot mit psychologischem Feingefühl auszuloten, erschöpft sich Herrmanns Inszenierung in einem formal zwar reizvollen, aber in der Akzentuierung schier endloser Textspiegelungen sich zäh wie Kaugummi dahinquälenden Ehekonflikts.

Statt Seelenstriptease à la Virginia Woolf ein auf witzige Schlagabtausche reduziertes und in ein klamaukiges Vierergespräch teils absurden Zuschnitts mündendes Spektakel. Vorher zuhauf verpasste, achtlos zugespielte Chancen.

Tiefgang hatte an diesem Abend ohnehin wohl nur die Yacht des Milliardärs Abramowitsch, die in der Bucht vorm Honeymoon-Hotel ebenso vor sich hindümpelte wie die sich in heiterem Smalltalk verlierende Ehekrise. Das Coward-typische Feuerwerk zwischen komödiantischem Pingpongspiel und tieferen Einsichten ins menschliche Beziehungsverhalten wollte einfach nicht zünden.

Innere Vorgänge blieben allenfalls schemenhaft erkennbar, die Zeichnung der Charaktere Stückwerk.

Die im Unterhaltungsfach routinierten Schauspieler suchten über die Schwächen der Inszenierung hinweg zu spielen: eine starke Nora von Collande als Amanda, die alles einschließlich ihres Ex-Ehemann absolut im Griff hatte, ein Herbert Herrmann, der sich voll charmanter Hilflosigkeit schnell und widerstandslos seinem Schicksal ergab. Ein Lichtblick die beiden Nebenrollen, von Patrick Bach als Modefotograf Victor Pryn und Johanna Mildner als Sybill Chase respektabel gestaltet.

„Flitterwochen sind ein meist überschätztes Vergnügen“, entfährt es Victor en passant gleich zu Beginn. Wohl wahr, denn so manche Ehe trägt dann bereits den Keim des Scheiterns ebenso in sich wie diese Inszenierung.

So galt der intensive doch keineswegs anhaltende Applaus an diesem Abend wohl eher der Lebensleistung von Boulevard-Ikone und TV-Star Herbert Herrmann als dem „überschätzten Vergnügen“ von dessen „Hochzeitsreise“.

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