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Bahnhofsmission

Bahnhofsmission

Mittwoch, 21. April 2010

bmisswebAuf Bahnsteigen kommen Erinnerungen, zumeist an Abschiede. Fällt mein Blick aber irgendwo auf ein zerbeultes Emailleschild der Bahnhofsmission, dann sitze ich plötzlich auf einmal wieder tief unterm alten Hauptbahnhof Hannover, lange vor der Zeit der Passerelle, mitten in den 50er Jahren. Als Volksschulknirps in verhassten kurzen Lederhosen, mit Brot- und Brustbeutel und dem umgehängten Pappschild mit Name und Reiseziel.

Die Oma wohnte in Koblenz und die Dampflokomotive brauchte fast einen ganzen Tag, um mich zu ihr in die Ferien zu bringen. Gut behütet von den gestrengen Damen der Bahnhofsmission, doch auch mit etwas Angst im Herzen, schließlich hatte ich gerade „Emil und die Detektive“ gelesen. So was wie dem Tischbein würde mir nie aber passieren. Die von der Bahnhofsmission würden schon aufpassen.

1892 vom Berliner Pastor Johannes Burkhardt gegründet, speiste sich die Bahnhofsmission aus mehreren Quellen. Im Mittelpunkt stand der Schutz von Mädchen und jungen Frauen, die Arbeit suchend vom Land in die Großstädte drängten und allzu oft schon an den Bahnhöfen von Mädchenhändlern und gewissenlosen Vermieterinnen abgefangen und ausgebeutet wurden.

Längst haben die insgesamt 12 Mitarbeiter der seit April 1958 tätigen Hamelner ökumenischen Bahnhofsmission das Suppenküchen- und Obdachlosen-Image abgestreift. Getragen vom evangelischen Frauenverein und aus Spenden beider Kirchen finanziert, arbeiten der ehemalige Industriekaufmann und Hobby-Jazzer Eckhart Wunram und seine in blaue Schutzwesten gekleideten Helfer weitgehend selbständig. „Von 9 bis 18 Uhr jeden Tag sind wir dienstbereit“, erklärt der 51-jährige Volker Krause, einer der drei vom Job-Center hierher vermittelten Helfer, die gemeinnützige Arbeit leisten. „Das macht großen Spaß, jeder Tag bringt was Neues und der Umgang mit Menschen bringt so viele Erfolgserlebnisse“, so Krause, der auch für den Papierkram zuständig ist.

Rund 10000 Kontakte pro Jahr hat er in einer Liste peinlich genau aufgelistet: Gespräche, Hilfeleistungen für Behinderte, Koffertransporte – und immer wieder Auskünfte. „Das sind täglich bis zu 30 Einsätze ganz unterschiedlicher Art“, sächselt der 1991 aus Dresden an die Weser gekommene Axel Schneider. Und den Fahrplan kennen wir eh´ auswendig. Eigentlich sei die Auskunft eine Aufgabe der Bahn, aber die Bahnhofsmission mache das gerne mit.

Unaufgefordert steht das Team bei jeder Zugankunft und – abfahrt helfend zur Verfügung. „Die Lücke zwischen Zug und Bahnsteig bereitet oft Schwierigkeiten, egal ob Kinder oder Ältere, wir greifen ein“, so Friedrich-Wilhelm von Nathusius. Sagt´s und bugsiert Rollstuhlfahrer Gerd Weber in die rote S-Bahn Richtung Hannover. „Aber sich niemals aufdrängen. Manche machen das lieber allein“, weiß Axel Schneider. Da müsse stets der richtige Ton gefunden werden.

Das lerne man auf Fortbildungen mit Themen wie „Umgang mit schwierigen Leuten“, ergänzt Volker Krause. Die aber seien im Hamelner Bahnhof die absolute Ausnahme. Überhaupt sei der Bahnhof hier gar nicht mit denen der Großstädte zu vergleichen. Von wegen Alkohol, Drogen oder Randale. „Seit die Stadtwerke das unter sich haben, ist alles super sauber und sicher, zur Not steht der Sicherheitsdienst bereit, aber den brauchen wir sehr selten“, so Wunram.

Während Jungvater Pascal Volkmer und Töchterchen Angelina Celine im sperrigen Kinderwagen sicher aus der S-Bahn entladen werden, erinnert sich Krause an jene ältere Dame, die völlig verzweifelt ihren Mann suchte. Stundenlang. Dann habe man ihn in der hintersten Ecke des Cafés entdeckt. „Wo bleibst Du denn?“ habe der seine Frau angeherrscht und geknurrt „zahl mal meine Rechnung!“

Trotz jeder Menge „Menschlichkeit am Zug“ drücken die Bahnsteighelfer Nachwuchsprobleme. „Wir würden uns schon auch ein paar Frauen wünschen“, so Wunram. Junge Leute könnten sogar ein bescheinigtes Praktikum machen. „Das hier gibt einem so viel“, darin ist sich das Team ehrlichen Herzens einig. Etwa, wenn die Blinden aus Fischbeck ihr Kommen telefonisch angemeldet haben. Unverständnis aber ernte der ehemalige Bahn-Chef Mehdorn. Der wollte die Bahnhofsmissionen in Zuge einer Image-Kampgne einfach einstampfen. „Kein schöner Zug von ihm“ regt sich Friedrich-Wilhelm von Nathusius noch heute auf.

„Es wird Zeit Männer, Gleis 5“ ruft jemand und das Team rückt wieder aus. In der Ecke bleibt eine große Tasche mit 100 Brot-Ratten zurück. Die werden die Männer von Gleis 1 am Samstag ihren Kollegen in Hildesheim zur gemeinsamen Feier des „Tages der Bahnhofsmission“ mitbringen. Anreise natürlich mit der Bahn, womit sonst.

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