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Homer

Homer

Montag, 16. August 2010

santwebNicht erst seit Wolfgang Petersens Monumentalfilm „Troja“ scheint das Interesse an den ersten großen europäischen Epen in Schriftform, der „Illias“ und der „Odyssee“ des griechischen Dichters Homer, eine Renaissance zu erleben. Alt und jung drängte sich im Vortragssaal der Bibliothekgesellschaft in der Stadtbibliothek, um von Dr. Ulrike Santozki mehr über die Helden Homers und ihren Autor zu erfahren.

Bild: Dr. Ulrike Santozki sprach zum Thema: „Rätsel, Faszination und Basis der europäischen Literatur“

Die promovierte Philosophin, die seit vier Jahren am Schiller-Gymnasium Latein und Werte und Normen unterrichtet, ließ ihre Zuhörer eintauchen in die komplexen Personen- und Handlungsstrukturen, ließ deutlich werden, dass hinter der epischen Breite des Schlachtengetümmels im Kern ein innerer Konflikt schwelt: der des sich zornig dem weiteren Kampf gegen Troja verweigernden Achill. Der sei, so Santozki, „ein einsamer Außenseiter“, blind für die Folgen seiner Einstellung seinem frühen Tod entgegensehend.

In der „Odyssee“ dann kontrastierende „Heimkehrergeschichten“: die des Agamemnon, den seine Frau mordet, und des Odysseus, dessen Penelope fortan Generationen als Ideal eines tugendhaften, treuen Eheweibes dienen sollte.

Hat es das alles gegeben? Wie könnte eine mögliche Reiseroute des Odysseus ausgesehen haben? Wer war dieser Homer, von dem Flaubert behauptete, er habe nie existiert? Vieles, so Santozki, bleibe zwar ein Rätsel, doch die Rezeptions- und Wirkungsgeschichte der im 8. vorchristlichen Jahrhundert entstandenen Verse ist immens.

Sie reiche von deren Adaption im Gründungsmythos Roms bis zu Goethes „Werther“, den der ihm in Homers Gesängen entgegentretende „ganzheitliche Mensch“ aufs Äußerste bewegt. Das Schicksal von Homers Helden im Spannungsfeld zwischen alten Mythen und dem erwachenden Logos entfaltet auch heute noch seine Faszination mit elementarer Kraft, so dass die wissenschaftliche Überprüfbarkeit der historischen Faktizität gegenüber dem literarischen Zauber wohl zweitrangig bleiben darf.

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