Postma über Knigge
Postma über Knigge
Montag, 18. Oktober 2010
Wenn der gelernte hannoversche Germanist, Politikwissenschaftler und Philosoph Dr. Heiko Postma seine Vortragskünste zelebriert, dann herrscht stets drangvolle Enge im Publikum. So auch bei der sonntäglichen Matinee der Bibliotheksgesellschaft im kleinen Vortragssaal der Stadtbibliothek in der Pfortmühle, bei der Postma unter dem Titel „Sei, was du bist, immer und ganz“ dem Leben und Werk des deutschen Aufklärungs-Schriftsteller Adolph Freiherr Knigge nachspürte. Der, 1752 in Bredenbeck am Deister geboren, gilt heute auf Grund seines Buches „Über den Umgang mit Menschen“ gemeinhin als „Benimm-Papst“.
Das richtige Verhalten zu finden sei zwar eines von Knigges Themen, so Postma, doch sei der Benimm-Knigge nicht der eigentliche Knigge, sondern Ergebnis der Rezeption späterer Zeiten.
Von seinem Hocker aus, das Skript auf einem Notenpult platziert, inszenierte Postma stimmgewaltig und gestenreich sein Wortkonzert über einen frühen deutschen Aufklärer, dessen nur 44-jähriger Lebensweg samt Irr- und Umwegen ihn bei seinesgleichen alles andere als beliebt machte, war er doch ein glühender Anhänger der Ideen der französischen Revolution, verzichtete gar auf sein Adelsprädikat und brachte mit der Feder jene Weltordnungen zu Papier, deren Kommen er für ein Gebot der universalen Kraft der Vernunft hielt.
Etwa im Roman „“Benjamin Noltmanns Geschichte der Aufklärung in Abessinien“, einer „unter afrikanischer Maskierung“ überaus humorvoll wenngleich auch bitter ernst gemeinten politischen Kritik an absolutistischer Fürstenherrschaft und glühendem Plädoyer für eine demokratische Verfassung.
Mit dem auf Napoleon folgenden Zeitalter der Restauration gerieten Knigges politische Ideen mehr und mehr in Vergessenheit, wurde der Aufklärer zunehmend auf den Knigge des guten Benehmens gestutzt. Heiko Postma hat neugierig gemacht auf den „eigentlichen Knigge“, für den sich richtiges Verhalten im Umgang mit Menschen aus Vernunft und Authentizität speist. „Sei, was du bist, immer und ganz.“