Kolakowski-Lesung
Kolakowski-Lesung
Dienstag, 02. November 2010
Nur zwei Plätze blieben frei, der des Angeklagten und der des Richters. Ansonsten herrschte drangvolle Enge im Saal des Springer Amtsgerichts. Doch wurde kein Aufsehen erregender Fall verhandelt, sondern ganz im Gegensatz zur sonst an diesem Ort vorherrschenden Stimmung ging es bei der Lesung erbaulicher Geschichten von Lezek Kolakowski eher hintergründig und humorvoll zu. Eingeladen zur Premiere von „Literatur im Gericht“ hatte der Vorsitzende des Springer Kulturkreises, Hinrich Bergmeier.
Bild: Lasen Kolakowski-Texte – Eckhard Gruen (li.) und Alfred Schröcker
Mit einem Hinweis auf die Grabinschrift Kurt Schwitters („Man kann nie wissen“) schlug der gleich den inhaltlichen Grundton des Abends an, dem die junge Flötistin Vicky Kovacs aus Hannover mit musikalischen Interludien wie etwa Arthur Honeggers „Ziegentanz“ mal eine expressive, mal eine melancholische Note verlieh.
Hinter den Schranken des Gerichts thronten auf den rot gepolsterten Beisitzerstühlen Eckhard Gruen vom Theater Nordstadt Hannover und Dr. Alfred Schröcker aus Wunstorf, die die Lesung mit Kolakowskis „Doktor Luthers Gespräch mit dem Teufel“ begannen.
Kolakowski, dessen Werk- und Wirkgeschichte vom KP-Mitglied zum betagten Oxford-Professor Eckhard Gruen umriss, stand zeitlebens im Spannungsfeld zwischen Vernunft und Glauben, bezeichnete sich selbst als „Narr und skeptischen Gläubigen“.
Aus eben jenem Kontrast speisten sich auch die vorgetragenen Texte, von Eckhard Gruen mit hannöverscher, von Alfred Schröcker mit unüberhörbar niederbayerischer Stimmfarbe vorgetragen.
Da wurde über die „Einsamkeit Gottes vor der Erschaffung der Welt“ philosophiert, der Frage nachgegangen, warum Gott die Menschen eigentlich nicht nur gut geschaffen habe (weil er sonst keinen moralischen Gewinn davon trüge), und am Beispiel Kains die Erkenntnis entwickelt, dass es bei der Würdigung von Taten eher auf den Marktpreis denn auf die tatsächlich investierte Mühe ankomme. „Gerechtigkeit bemisst sind nach den Folgen, nicht nach der Absicht der Handlungen“, eine Einsicht, die an diesem Ort in der Tat zum Nachdenken anregte.
Für die Trompeten von Jericho jedoch fand Kolakowski zwei eher banale, humorige Erklärungen: entweder war´s ein surrealistischer Scherz oder der Schöpfer sei unverbesserlicher Fan von Militärmusik.
Die knapp 60 Zuhörer mochten sich den philosophischen Tiefgründeleien gerne anschließen, ganz nach Kolakowskis Motto: „Posaunt, posaunt, vielleicht geschieht ein Wunder!“