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Klamms Krieg

Klamms Krieg

Freitag, 21. Januar 2011

klamm-tickets-kielPedantisch ordnet Lehrer Klamm Hefte und Bücher auf seinem Lehrertisch, seine Worte aber prallen ab an einer Mauer eisigen Schweigens. Doch Klamm gibt sich abgebrüht: „Erwarten Sie nicht, dass es mir was ausmacht, erwarten Sie aber auch nicht, dass es Ihnen was nutzt.“ Längst sind seine Ideale, ist sein „pädagogischer Eros“, verflogen, sind Schule und Unterricht zum Ort fortwährenden Hasses, zum Schauplatz seines tagtäglichen Krieges gegen Schüler und Kollegen und gegen sich selbst geworden.

Bild: Matisek Brockhues führt einen Krieg gegen Schüler und Kollegen

Jeder der Schüler und Lehrer in der gut besuchten Vorstellung im TAB kannte zumindest Versatzstücke dessen, was Matisek Brockhues vom Kieler DeichArt-Enemble mit kaum zu überbietender Intensität auf die Bühne brachte. Die Betroffenheit im Publikum ist fast körperlich spürbar, wenn Klamm sein „Soooo nicht!“ brüllt, wenn er droht, diffamiert, Ultimaten stellt („die Entschuldigung schriftlich bis morgen früh in mein Fach!“) oder Noten als Druckmittel benutzt, um gleich darauf bei romantischer Klaviermusik seine Schüler komplett zu ignorieren. Lehrer Klamm biedert sich an, buhlt um Zuneigung, führt wütende und verzweifelte Monologe.

Klamm kämpft seinen Schulkrieg an vielen Fronten, auch gegen die Kollegen, die er bespitzelt, deren Verfehlungen er in penibel geführten Dossiers festhält. Auch die rücken von ihm ab, jetzt da ihm die Suspendierung droht. Sein Lieblingsschüler Sascha hat sich erhängt, hat Klamm ihm doch den einen einzigen Punkt zum Bestehen des Abiturs verweigerte. Aber auch Klamm ist am Ende, steht vor der Frage Selbstmord oder Frühpensionierung?

„Lehrer sind Mörder“, berichtet er dem schweigenden Publikum, habe er mit seinem Blut auf die Klo-Schüssel geschrieben. Die Rechtfertigungsrede in seiner letzten Unterrichtsstunde verhallt jedoch ebenfalls ungehört. Macht- und hilflos kotzt sich Klamm aus. Dann verlässt er mit der Pistole des Direktors die Szene. Es wird dunkel, doch es fällt kein Schuss.

Was folgte, war eine lebhafte Diskussion: Wer trägt welche Schuld? Der Lehrer selbst, die Schüler, das Schulsystem mit seinen Chancenverteilungen über Notenvergebung und Leistungsdruck? Wie geht man mit den allerorten anzutreffenden Klamms um? Wie konnte der überhaupt so werden? Schüler und Lehrer sehen den gescheiterten Horror-Pädagogen jeweils aus eigener Perspektive, jemand sinniert darüber, ob Gesamtschulen hier Abhilfe bringen. Doch die Frage, warum Klamms Unterricht zum Ort des Hasses und der Selbstzerstörung degenerierte, blieb wie erwartet unbeantwortet.

„Klamms Krieg“, ein Psychogramm von ergreifender Eindringlichkeit, das als Warnung vor den unkalkulierbaren psychischen Untiefen eines vielfach unter- und oft gering geschätzten Berufes eigentlich unverzichtbarer Bestandteil jeder Lehrerausbildung sein müsste.

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