Feindberührung 2.0
Feindberührung 2.0
Mittwoch, 23. Februar 2011
Schon nach wenigen Augenblicken war klar, dieses Stück trifft den Nerv der jungen Zuschauer. Die hatten eben noch einem abwechslungsreichen Theaterspektakel am Vormittag entgegen gelärmt und waren Momente später mittendrin in der „Feindberührung 2.0“, einem emotionalen Lehrstück über die Faszination von realer und virtueller Gewalt und dem komplizierten Weg zum alltäglichen Frieden.
Die Handlung: Der bosnische Hausmeister Baris (Willi Schlüter) will die Bühne aufräumen und trifft dabei auf den Schüler Ben (Tim Schaller). Den hat die Schulleitung zu zehn Stunden Sozialdienst verdonnert, da man bei ihm eine Pistole entdeckt hat. Ben, den nur sein Rechner und sein Ego-Shooter zu interessieren scheinen, ist extrem genervt, aggressiv und sprüht nur so von Vorurteile gegenüber Ausländern. Es beginnt ein langer und mühevoller Weg zum gegenseitigen Verständnis.
„Wir kommen dabei ohne erhobenen Zeigefinger aus“, erklärte Schlüter. Und Tim Schaller, der als Ben durch eine Messerattacke ein Auge verloren hat und deshalb seinen Traum Profi-Fußballer bei 96 zu werden begraben musste, lieferte eine rundum glänzende schauspielerische Leistung ab. Der junge Schauspieler, der eigentlich aus dem Clowns-Fach kommt, beeindruckte in der Aula der Hinrich-Wilhelm-Kopf-Schule durch seine zielgruppengerechte Tonlage ebenso wie durch sein ausdrucksstarkes Spiel.
Das Gespräch der beiden drehte sich um persönliche Verletzlichkeiten, um einen fragwürdigen Ehrbegriff, um traumatische Erlebnisse, um zerstört geglaubte Lebensträume, thematisierte Verständnisschwierigkeiten und stellte falsche oder zu einfache Lösungswege zur Diskussion. Da stellte Ben etwa fest: „Ich spiele Tetris und werfe doch hinterher auch keine Steine von der Brücke“. So was blieb haften, brachte die jungen Zuschauer ans Nachdenken.
Die hielten sich zwar in der anschließenden Diskussion sehr zurück, doch die „Feindberührung 2.0“ des Theaters in der List hatte sichtlich getroffen.
Das in der vergangenen Woche erstmals in Hannover aufgeführte Stück von Willi Schlüter und Tim von Kietzell ist auf Vermittlung und mit Förderung der Sozialraum AG von Hermann Wessling und Schulleiter Claus Strakosch nach Bad Münder geholt worden.
Die waren mit der Publikumsreaktion ebenso zufrieden wie Tim Schaller und Willi Schlüter.
Bleibt sehr zu hoffen, dass diese von der Landeshauptstadt Hannover, der Lotto-Stiftung und der evangelischen Landeskirche unterstützte Theaterproduktion bei einer Wiederholung sehr schnell auch das Interesse des erwachsenen Publikums in Bad Münder finden wird.