6. Springer Dialog
6. Springer Dialog
Samstag, 26. März 2011
Gewerkschaft will „gestaltenden Staat“
Wenn Heimvolkshochschulleiter Gerd Schumacher zum „Springer Dialog“ bittet, darf er sicher sein, dass zwei Tage lang hochkarätige Vertreter aus Gewerkschaft und Sozialdemokratie an den Fuß des Springer Ebersbergs kommen. Längst genießt der alljährliche Gedankenaustausch von Sozialdemokratie und Gewerkschaften bundesweite Aufmerksamkeit.
Bild: Hartmut Meine, Gast beim 6. Springer Dialog
Unter dem diesjährigen Motto „Mehr Demokratie wagen in Gesellschaft, Wirtschaft und Betrieb“ forderte der Vorsitzende des HVHS-Vereins, Wolfgang Jüttner, mehr direkte Bürgerbeteiligung. „Nur zu wählen reicht nicht.“ Das Thema direkte Demokratie habe zwar einige Haken, stünde aber dennoch wieder ganz oben auf der Tagesordnung.
Zentrales Thema des Dialogs 2011, so Jüttner, aber seien die Konsequenzen aus der Krise. Der Markt habe bekanntlich „blinde Flecken“, könne „weder Zukunft noch Nachhaltigkeit.“
Wie also steht es dann um den Streit zwischen freiem Spiel der Kräfte und staatlicher Interventionspolitik?
Eine Zuspitzung, die IG Metall Bezirksleiter Hartmut Meine anhand einer differenzierten Darstellung von derzeit in der Wirtschaft praktizierten „pluralen Eigentumsformen“ auflöste. Die reichten von Stiftungen à la Bosch über rein privat geführte Unternehmen, öffentlich rechtliche Anstalten, Kapitalgesellschaften mit und ohne relevanten Staatsanteil bis hin zu Mischformen wie Salzgitter oder Volkswagen AG. Meine: „Wer hätte vor der Krise gedacht, dass der Staat bei Commerzbank und Hypo Real Estate einsteigt?“ Auch der niedersächsische FDP-Finanzminister predige zwar den Neo-Liberalismus, was ihn nicht hindere bei VW im Aufsichtsrat zu sitzen.
Statt der seinerzeit von Ludwig Erhard als CDU-Abwehrmodell gegen die Mitbestimmung konzipierten „Sozialen Marktwirtschaft“ oder des unscharfen Begriffes „demokratischen Sozialismus“ seien die Gewerkschaften auf der Suche nach einem neuen, dem Mischcharakter des realen Wirtschaftsgeschehens besser gerecht werdenden Terminus. Meine: „Wir brauchen eine talkshowfähige Wortmarke.“ Ob das allerdings der Begriff „Wirtschaftsdemokratie“ sein kann, stellte der Gewerkschafter zur Diskussion.
In Fachvorträge wurden mögliche Perspektiven der Mitbestimmung bei Banken, Versicherungen und in der Schwerindustrie erörtert, ehe der Europaabgeordnete Bernd Lange eine „europäische Wirtschaftsregierung“ thematisierte.
Jüttners Fazit: „Es geht nicht um ideologisch motivierte Verstaatlichungspolitik, sondern angesichts der gemischten Eigentumsformen im Markt darum, das zu halten, was sich über die Jahre als gängig erwiesen hat.“