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Musik hinter Gittern

Musik hinter Gittern

Freitag, 01. April 2011

webknast„Mal seh´n, was das ist.“ Das Quintett der stämmigen jungen Männer in der bordeauxroten Anstaltskleidung besetzte selbstbewusst die erste Reihe, gleich neben den Ehrengästen. Andere Gefangene, die zur „Musik hinter Gittern“ in den großen Saal der Jugendanstalt in Tündern gekommen waren, zogen die hinteren Plätze vor. Der Andrang zum freiwilligen Konzertbesuch war erfreulich groß, der Saal fast voll. Auf dem Gang lampenfiebrige Musiker im Frack, drinnen eröffnete Hartmut Zimmermann mit einem Trompetensignal das „Fiori Musicali“ (musikalischer Blumenstrauß) überschriebene Programm.

Bild:  Nicolle Cassel und Annelie Staude

„Sie können hier was Neues kennen lernen und eine Ahnung davon bekommen, was es heißt, ein Instrument zu beherrschen“, mahnte die Leiterin der Jugendanstalt, Christiane Jesse, Aufmerksamkeit an.

Konzertveranstalter ist die 1995 von Erich Fischer „als Dank an die Kriegsgeneration“ gegründete „Internationale Stiftung zur Förderung von Kultur und Zivilisation“ aus München, die neben bislang mehr als 2500 ähnlichen Aktivitäten seit 2007 in Tündern die „Musik hinter Gittern“ veranstaltet. „Außerdem finanziert die Stiftung uns seitdem auch den Klavierunterricht für bislang 25 Gefangene“, erklärt der Vorsitzende des Fördervereins der Anstalt, Dietmar Müller. Einmal pro Woche erhalten talentierte junge Gefangene Unterricht vom Hamelner Klavierlehrer Georgi Dimitrov

Dessen vier Klavierschüler eröffneten das Konzert.

„Na, fang´ ich mal an, geht auch nur sehr kurz“, so der erste und spielte eine kleine Melodie, die er drei Monate lang geübt hatte. Die Burschen in der ersten Reihe rührte das wenig, doch als Alex sich recht behutsam und fehlerfrei durch ein Mozart-Menuett tastete, merkten sie auf. Es folgte ein sehr komplex klingender Bartok, ehe André mit viel Drive die „fabelhafte Welt der Amelie“ in die Tasten hämmerte. Als die anschließende, mit Klavierlehrer Dimitrov vierhändig gespielte Zugabe endete, brach heftiger Beifall los.

Unter den Gästen auch Dr. Jürgen Oehlerking, Staatsekretär im Niedersächsischen Justizministerium, ein Stammgast dieser Reihe. Aber statt Reden und Grußworte stand die Musik im Mittelpunkt. Die soll, so das Mitglied der Stiftungsleitung, Hartmut Zimmermann, die jungen Gefangenen „für einen anderen Ton aufschließen“, ihnen zeigen, „dass es sich lohnt, an einer Sache dran zu bleiben.“

Bach, Ravel, Händel, Brahms, Lortzing – ganz unterschiedliche Epochen, Stile, Genres und Besetzungen lernten die jungen Zuhörer an diesem Nachmittag kennen. Mag sein, dass viele vor allem an den äußerst attraktiven Sängerinnen Gefallen fanden, doch die Reaktionen zeigten auch, dass die Sprache der Musik ihre Wirkung entfaltet hatte. Am Ende gab´s tosenden Applaus, ehrliche Begeisterung, und auch die coolen Jungs aus der ersten Reihe applaudierten maßvoll, und es huschte tatsächlich für einen Moment ein Lächeln über ihr Gesicht.

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