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„Ich ´n Lied – Du ´n Lied“

„Ich ´n Lied – Du ´n Lied“

Sonntag, 10. April 2011

„Jeder macht so seinen Schuh, sein Solo, wir sind doch kein Duo, das irgendwie zusammenwächst“, erklärt Marco Tschirpke und zersäbelt seine Pausenpizza. „Stimmt“, pflichtet ihm Sebastian Krämer bei. Nicht nur äußerlich sind Tschirpke und Krämer, die in der gut besuchten Sumpfblume ihr Programm „Ich ´n Lied – Du ´n Lied“ präsentierten, grundverschieden.

Bild: Marco Tschirpke und Sebastian Krämer

Sebastian Krämer, in seidig glänzendem Anzug und locker geknoteter Krawatte, erweist sich als scheinbar charmanter Plauderer, dessen kunstvoll arrangierte lyrische Konstrukte zumeist witzig und heiter beginnen, um dann in bitterbösen schwarzen Humor umzuschlagen. Und das mit einem Wahnwitz gegen den sich der Tauben vergiftende Parkspaziergänger Georg Kreisler als Waisenknabe erweist.

Ob in der Nachfolge rabenschwarzer deutscher Romantik mit der Ballade vom mörderischen Försterhund Isidor, mit persifliertem Liedermacher-Timbre beim Song übers verlorene Geld, oder der wütenden Attacke auf Deutschlehrer und Rechtschreibreform („Deutschlehrer, ihr hättet Bushido verhindern können!“), Krämers tiefsinnige Traktate fügen sich nicht zuletzt aufgrund seiner immensen musikalischen Virtuosität zu Chanson-Meisterwerken zusammen.

„Wir sind beide ähnlich, haben aber verschiedene Ansätze und Ästhetiken“, so Tschirpke selbstanalytisch in der Pause. Krämer ergänzt: „Da gibt es zwei Textsorten, einmal die, wenn wir´s Maul nicht halten können, und die sorgfältig, mühsam, allmählich erarbeiteten, bei denen oft viel wieder weggestrichen wird, so dass nur ein Destillat bleibt.“

Im Minutentakt stürmen die beiden Kreativspieler auf die Bühne und liefern einzeln ihre Texte und Songs ab, die bei Krämer zumeist ausladend gleichwohl mit formaler Strenge konstruiert, bei Tschirpke aber stets minimalistisch und mitunter irritierend sind.

Von Krämers Wortfluten bei ihm keine Spur. Der junge, mitunter leicht verwirrt wirkende Poet erweist sich wie Krämer als exzellenter Pianist, bereitet dem Publikum, noch viel mehr aber wohl  sich selbst mit seinen scheinbar aus textlichen Entgleisungen erwachsenden Kurzliedern, diesen andeutungsvollen  Meisterwerken des Nicht-Gesagten, ein intellektuelles Vergnügen der besonderen Art.

Tschirpke, geistiger Urenkel Heinz Erhardts auf höherem Niveau, und der sich der Renaissance der Schauerromantik verschreibende Sebastian Krämer zeigten mit „Ich ´n Lied – Du ´n Lied“, dass auch in der Zeit allgegenwärtiger  Comedy-Beliebigkeiten der Rückgriff auf kulturelle Traditionslinien äußerst lustvoll sein kann.

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